Trotz Fortschritten bei der Nutzung erneuerbarer Energien steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Laut dem Bericht des Global Carbon Project werden sie im Jahr 2024 voraussichtlich rund 37,4 Milliarden Tonnen CO₂ erreichen – ein Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Foto: Adobe Stock

Dr. Tobias Steinhoff (rechts) und Melf Paulsen vor den Messgeräten im Maschinenraum der MS ATLANTIC SAIL: Mit seinen Messungen trägt das GEOMAR regelmäßig zu den Ozeandaten des Global Carbon Budget Berichts bei. Foto: GEOMAR

Das Handelsschiff MS ATLANTIC SAIL sammelt im Liniendienst zwischen Europa und Nordamerika kontinuierlich Daten zu Temperatur, Salzgehalt, gelöstem Sauerstoff und CO2 im Oberflächenwasser. Foto: privat

Wendepunkt bei den fossilen CO2-Emissionen noch nicht erreicht

Bericht des Global Carbon Project 2024

13.11.2024/Kiel/Baku. Trotz Fortschritten bei der Nutzung erneuerbarer Energien steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Für das Jahr 2024 rechnet das internationale Global Carbon Project mit einem Anstieg der Emissionen um 0,8 Prozent auf insgesamt 37,4 Milliarden Tonnen CO2. Getrieben wird diese Zunahme vor allem durch den steigenden Verbrauch von Erdgas und Öl. Der aktuelle Bericht des GCP, der heute auf der internationalen Klimakonferenz in Baku vorgestellt wird, unterstreicht die Dringlichkeit schneller und umfassender Emissionsreduktionen, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen. Für den Bericht haben Wissenschaftseinrichtungen aus aller Welt zusammengearbeitet, darunter auch das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel, das seit Jahren Daten zur CO2-Aufnahme des Ozeans beisteuert. Die Koordination der Beiträge zu marinen Kohlenstoffsenken lag beim Alfred-Wegener-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung.

Der Wendepunkt beim weltweiten CO2-Ausstoß ist noch immer nicht erreicht. Das geht aus dem Global Carbon Budget-Bericht 2024 hervor, der heute auf der internationalen Klimakonferenz COP29 in Baku, Aserbaidschan, vorgestellt wird. Laut Prognosen des Global Carbon Project (GCP), das den Bericht jährlich veröffentlicht, werden die Emissionen im Jahr 2024 voraussichtlich rund 37,4 Milliarden Tonnen CO2 erreichen – ein Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2004 bis 2013 lag die Steigerung bei durchschnittlich zwei Prozent pro Jahr. Das deutet zwar auf Fortschritte auf dem Weg zu den Pariser Klimazielen hin, reicht aber bei weitem nicht aus, um die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius zu halten und die weltweiten Emissionen bis 2050 auf Netto-Null zu bringen. Dazu müssten die Gesamtemissionen um durchschnittlich 1,6 Gigatonnen pro Jahr sinken.

Der Bericht, der heute in der Fachzeitschrift Earth System Science Data veröffentlicht wird, untersucht Emissionen aus fossilen Brennstoffen, Landnutzungsänderungen wie Abholzung von Wäldern und die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ozean und Land. Er schätzt ab, wie viel Kohlenstoff von  Pflanzen, Böden und Meeren aufgenommen oder freigesetzt wird. Die zukünftige Entwicklung der Kohlenstoffflüsse wird projiziert und das verbleibende CO2-Budget berechnet, das für das Erreichen der globalen Klimaziele entscheidend ist.

Die marine CO2-Senke bleibt stabil – aber die Herausforderungen wachsen

Der Bericht zeigt, dass der Ozean nach wie vor etwa 26 Prozent der globalen CO2-Emissionen aufnimmt – eine wichtige Funktion, die jedoch durch den Klimawandel zunehmend gefährdet ist. Ein Grund dafür: Steigende Wassertemperaturen verringern die Löslichkeit von CO2 und damit die Aufnahmefähigkeit der Ozeane. „Der Klimawandel hat die CO2-Aufnahmefähigkeit der Ozeane in den letzten zehn Jahren um etwa sechs Prozent verringert“, erklärt Professorin Dr. Judith Hauck, Umweltforscherin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Der El-Niño-Zyklus führte 2023 zu einer vorübergehenden Erholung der Ozeansenke, da weniger kohlenstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche gelangte, doch die fortschreitende Erwärmung könnte den Ozean langfristig als Kohlenstoffspeicher schwächen.

CO2-Messungen im Nordatlantik – ein Langzeitprojekt des GEOMAR

Die Ozeansenke – also wie viel CO2 der Ozean aus der Atmosphäre aufnimmt und speichert – wird aus Messungen des CO2-Gehalts im Oberflächenozean und Simulationen mit globalen Ozeanmodellen abgeschätzt. Wissenschaftler:innen des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung tragen mit ihren Messungen zu diesen Daten bei. Im Mittelpunkt steht dabei eine Langzeitmessung im Nordatlantik, die bereits seit mehr als 20 Jahren von der CO2-Gruppe am GEOMAR existiert: In Zusammenarbeit mit der Reederei Atlantic Container Lines (ACL) hat das GEOMAR auf dem Containerschiff MS ATLANTIC SAIL Messgeräte installiert, die im Liniendienst zwischen Nordamerika und Europa kontinuierlich Daten zu Temperatur, Salzgehalt, gelöstem Sauerstoff und CO2 im Oberflächenwasser sammeln. Die Messungen sind Teil der europäischen Forschungsinfrastruktur Integrated Carbon Observation System (ICOS), die jährlich Daten für das Global Carbon Budget liefert.

Die Messanlagen an Bord werden von Dr. Tobias Steinhoff, Chemischer Ozeanograph und Mitautor des Global Carbon Budget Reports, betreut. „Im vergangenen Jahr mussten wir die Messgeräte von Bord nehmen, weil sie nach zehn Jahren kontinuierlichem Einsatz überholt und auf den neusten technischen Stand gebracht werden mussten“, sagt Dr. Steinhoff, „dadurch waren in diesem Jahr leider weniger Daten verfügbar.“

Datenplattform SOCAT: Schlüssel für Kohlenstoffforschung und Klimapolitik

Neben den eigenen Messungen ist Dr. Tobias Steinhoff aktiv an der Plattform Surface Ocean CO2 Atlas (SOCAT) beteiligt, einer internationalen Initiative zur Sammlung und Qualitätskontrolle von CO2-Oberflächenmessdaten. Die SOCAT-Daten liefern eine Vorababschätzung der Kohlenstoffaufnahme der Ozeane und fließen ebenfalls in das Global Carbon Budget ein. Dr. Steinhoff: „Unsere Arbeit in SOCAT stärkt das globale Verständnis der CO2-Dynamik im Ozean und verdeutlicht seine Rolle als CO2-Speicher.“

 

Hintergrund: Über das Global Carbon Project

Das Global Carbon Project (GCP) ist ein Projekt der internationalen Forschungsinitiative Future Earth. Es hat zum Ziel, ein umfassendes Bild des globalen Kohlenstoffkreislaufs, seiner biophysikalischen und menschlichen Dimensionen sowie deren Wechselwirkungen zu entwickeln. Klimaforscher:innen aus aller Welt arbeiten an dem jährlichen Bericht zum globalen Kohlenstoffbudget. Das Global Carbon Budget 2024 ist die 19. Auflage. Die erste erschien im Jahr 2006. Veröffentlicht wird der Bericht jeweils in der Fachzeitschrift Earth System Science Data.

Viele Forschende aus dem deutschsprachigen Raum waren am Global Carbon Budget 2024 beteiligt. Sie kommen vom Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven), der ETH Zürich, dem GEOMAR (Kiel), dem Helmholtz Zentrum Hereon (Geesthacht), dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA), dem Karlsruher Institut für Technologie, dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung (Warnemünde), der Ludwig-Maximilians-Universität (München), dem Max-Planck-Institut für Meteorologie (Hamburg), dem Max-Planck-Institut für Biogeochemie (Jena), dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und von den Universitäten Bremen, Bern und Hamburg.

Originalpublikation

Friedlingstein et al. (2024) Global Carbon Budget 2024. Earth System Science Data.

https://essd.copernicus.org/preprints/essd-2024-519

Rauchende Fabrikschornsteine an einer Meeresküste

Trotz Fortschritten bei der Nutzung erneuerbarer Energien steigen die globalen CO2-Emissionen weiter an. Laut dem Bericht des Global Carbon Project werden sie im Jahr 2024 voraussichtlich rund 37,4 Milliarden Tonnen CO₂ erreichen – ein Anstieg um 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Foto: Adobe Stock

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Dr. Tobias Steinhoff (rechts) und Melf Paulsen vor den Messgeräten im Maschinenraum der MS ATLANTIC SAIL: Mit seinen Messungen trägt das GEOMAR regelmäßig zu den Ozeandaten des Global Carbon Budget Berichts bei. Foto: GEOMAR

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Das Handelsschiff MS ATLANTIC SAIL sammelt im Liniendienst zwischen Europa und Nordamerika kontinuierlich Daten zu Temperatur, Salzgehalt, gelöstem Sauerstoff und CO2 im Oberflächenwasser. Foto: privat