Darstellung der Oberflächentemperaturen im Nordatlantik. Das rote Band zeigt den Golfstrom, der warmes Wasser aus den Tropen in die hohen nördlichen Breiten transportiert. Foto: NASA
Planktisch lebende einzellige Mikrofossilien liefern mit ihrer geochemischen Information qualitative Kennwerte vergangener Ozeane. Links: Die Foraminiferenart Trilobatus sacculifer. Rechts: Gehäuseinterne Verteilung von Mg/Ca, ein wichtiger Proxyparameter zur Bestimmung von Paläo-Ozeantemperaturen. Foto: Jacqueline Bertlich/GEOMAR

Wenn der Golfstrom lahmt

Neue Studie zeigt Folgen einer Strömungs-Abschwächung vor 3,5 Millionen Jahren

10.01.2020/Kiel. Das Golfstromsystem als Teil der großen atlantischen Umwälzzirkulation spielt mit seinem nordwärts gerichteten Wärme- und Salztransport eine wichtige Rolle für das Klima Nordwesteuropas. Modelle sagen voraus, dass es sich abschwächen könnte, wenn aufgrund der globalen Erwärmung das grönländische Eisschild weiter abschmilzt und so den Salzgehalt des Nordatlantiks verringert. Zu den möglichen Folgen einer solchen Abschwächung sind aber noch viele Fragen offen.

Ein internationales Team von Paläozeanographen um Dr. Cyrus Karas von der Universität Pontificia Universidad Católica de Chile und unter Beteiligung des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel hat jetzt anhand von Sedimentkernen aus dem Atlantik einen Zusammenhang zwischen schwankender Golfstromintensität und dem Beginn der Eiszeiten während des Pliozäns vor 3,6 Millionen Jahren nachweisen können. Die Studie ist in der internationalen Fachzeitschrift Global and Planetary Change erschienen.

„Das Pliozän ist durch eine ähnlich hohe atmosphärische CO2-Konzentration wie heute gekennzeichnet. Die Temperaturen in den hohen nördlichen Breiten waren sogar noch höher als heute. Trotz dieser hohen Temperaturen und CO2-Konzentration setzte damals eine umfangreichere Vereisung auf der Nordhalbkugel ein. Deshalb ist das Pliozän so interessant, wenn man die Wechselwirkung zwischen Golfstrom und Klima untersuchen will“, sagt Dr. Cyrus Karas.
 
Die erwähnten Sedimentkerne wurden im Rahmen des „Deep Sea Drilling Project“ im Einflussbereich des Golfstroms aus dem Meeresboden entnommen. Insbesondere die isotopengeochemische Analyse von planktischen Einzellern gab Aufschluss über die zeitliche Veränderung des Golfstroms.

Die neuen Untersuchungen zeigten eine rasche Abkühlung um bis zu vier Grad und ein Aussüßen des östlichen Nordatlantiks vor 3,65-3,5 Millionen Jahre. Diese Abkühlung führte dann trotz des noch warmen, CO2-reichen globalen Klimas zur Gletscherbildung auf der Nordhalbkugel.

„Die Studie gibt uns wertvolle Einblicke in mögliche Auswirkungen eines sich abschwächenden Golfstroms“, betont Prof. Dr. Dirk Nürnberg vom GEOMAR, Paläoozeanograph und Co-Autor der Studie.

Bei einem Vergleich mit heutigen Verhältnissen muss man aber beachten, dass im Pliozän insbesondere tektonische Prozesse im indopazifischen Raum zu der Abkühlung im Atlantik geführt haben und so den Golfstrom schwächten. Entsprechend laufen die pliozänen Veränderungen auf deutlichen langsameren Zeitskalen ab als der heutige Klimawandel. „Es gibt tatsächlich keine bekannte Analogsituation in der Erdgeschichte für den menschgemachten CO2- und Temperaturanstieg, wie wir ihn in den letzten 100 Jahren beobachten. Die Studie gibt uns aber neue Indizien, um das Wechselspiel zwischen ozeanischer Umwälzzirkulation und dem globalen Klima, um dessen zukünftige Entwicklung besser verstehen zu können. so Prof. Dirk Nürnberg abschließend.

Originalarbeit:
Karas, C., N. Khélifi, A. Bahr, B. D. A. Naafs, D. Nürnberg, D., and J. O. Herrle (2020) Did North Atlantic cooling and freshening from 3.65–3.5 Ma precondition Northern Hemisphere ice sheet growth? Global and Planetary Change, 185 (103085),  https://doi.org/10.1016/j.gloplacha.2019.103085.



 

 
 

Darstellung der Oberflächentemperaturen im Nordatlantik. Das rote Band zeigt den Golfstrom, der warmes Wasser aus den Tropen in die hohen nördlichen Breiten transportiert. Foto: NASA
Darstellung der Oberflächentemperaturen im Nordatlantik. Das rote Band zeigt den Golfstrom, der warmes Wasser aus den Tropen in die hohen nördlichen Breiten transportiert. Foto: NASA
Planktisch lebende einzellige Mikrofossilien liefern mit ihrer geochemischen Information qualitative Kennwerte vergangener Ozeane. Links: Die Foraminiferenart Trilobatus sacculifer. Rechts: Gehäuseinterne Verteilung von Mg/Ca, ein wichtiger Proxyparameter zur Bestimmung von Paläo-Ozeantemperaturen. Foto: Jacqueline Bertlich/GEOMAR
Planktisch lebende einzellige Mikrofossilien liefern mit ihrer geochemischen Information qualitative Kennwerte vergangener Ozeane. Links: Die Foraminiferenart Trilobatus sacculifer. Rechts: Gehäuseinterne Verteilung von Mg/Ca, ein wichtiger Proxyparameter zur Bestimmung von Paläo-Ozeantemperaturen. Foto: Jacqueline Bertlich/GEOMAR