Wie der Ozean Stickstoff verliert
Meeresforscher aus Kiel und Bremen entdecken, was den Stickstoffgehalt im Ozean reguliert
Wie wirkt sich die aktuelle Erwärmung der Atmosphäre auf die Ozeane aus? Und haben Veränderungen in den Meeren wiederum Folgen für die Atmosphäre und damit für uns Menschen? Die Klärung dieser grundsätzlichen Fragen gehört zu den wichtigsten Aufgaben der modernen Ozeanforschung. Dabei müssen Wissenschaftler eine Vielzahl von biologischen und chemischen Prozessen beachten, die dafür sorgen, dass Gase und andere Stoffe zwischen Ozean und Atmosphäre ausgetauscht werden. Zu den wichtigsten Prozessen gehört der sogenannte Stickstoffkreislauf, denn Stickstoff ist ein grundlegender Nährstoff für das Leben im Meer.
Der Austausch von Stickstoff zwischen Ozean und Atmosphäre ist allerdings nicht überall gleich intensiv. Besonders viel Stickstoff verlieren die Meere in Gebieten, in denen wenig oder gar kein Sauerstoff im Wasser gelöst ist. Die dort lebenden, auf sauerstoffarme Umgebungen spezialisierten Mikroorganismen wandeln bei ihrem Stoffwechsel fixierten Stickstoff in freies Stickstoffgas um, das dann in die Atmosphäre entweichen kann. „Nur wenn wir diese Prozesse gut verstehen, können wir auch modellieren, wie sich Umweltveränderungen auf den Stickstoffkreislauf und damit auf die Verfügbarkeit von Nährstoffen im Ozean auswirken“, erklärt Prof. Dr. Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er ist Koautor einer Studie, die jetzt online in der international anerkannten Fachzeitschrift Nature Geoscience erscheint. Darin präsentieren Wissenschafter des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie, des GEOMAR und des Instituts für Allgemeine Mikrobiologie der Universität Kiel die umfassendste Stickstoffbilanz, die bisher für eine Sauerstoffminimumzone (SMZ) erstellt wurde. Erstautor ist Tim Kalvelage vom MPI in Bremen.
Grundlage der Studie sind mehrere Expeditionen des Kieler Sonderforschungsbereichs 754 in den Jahren 2008 und 2009 vor der Küste Perus. Dort, im tropischen Südostpazifik, erstreckt sich die weltweit größte Sauerstoffminimumzone. Vom Forschungsschiff METEOR aus nahmen die Wissenschafter damals Proben, die anschließend in den Laboren der beteiligten Institutionen analysiert wurden. So erhielten die Wissenschaftler ein umfassendes Bild der Nährstoffverteilung, über die Prozesse, die für den Stickstoffverlust verantwortlich sind, sowie über die beteiligten Bakterienarten. Mit Hilfe von Modellen errechneten sie schließlich die umfassende Stickstoffbilanz für die gesamte SMZ.
Details der Studie sind durchaus überraschend. So stellten die Forscher unter anderem fest, dass die Rate des Stickstoffverlusts mit dem Absinken von abgestorbenem organischen Material zusammenhängt. Gleichzeitig scheinen vor allem Bakterien daran beteiligt zu sein, die eben kein organisches Material in Stickstoffgas umwandeln, sondern erst dessen Abbauprodukte Ammonium und Kohlendioxid.
„Diese Ergebnisse sind wesentlich für die Weiterentwicklung unserer biogeochemischen Modelle, die bisher den marinen Stickstoffverlust noch nicht präzise genug darstellen können“, betont Professor Oschlies und ergänzt: „Letztendlich helfen Sie uns, die Nährstoffverteilung in allen Ozeanen besser abschätzen zu können. Und die sagt unter anderem etwas darüber aus, wie die Ozeane auf den erhöhten Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre reagieren.“
Ein ausführliche Pressemitteilung zu diesem Thema finden Sie auf den Internetseiten des MPI Bremen
Originalarbeit
Kalvelage, T, G. Lavik, P. Lam, S. Contreras, L. Arteaga, C. R. Löscher, A. Oschlies, A. Paulmier, L. Stramma and M. M. M. Kuypers: Nitrogen cycling driven by organic matter export in the South Pacific oxygen minimum zone. Nature Geoscience, http://dx.doi.org/10.1038/NGEO1739
Ansprechpartner am GEOMAR
Prof. Dr. Andreas Oschlies (GEOMAR, FB2-Biogeochemische Modellierung), aoschlies(at)geomar.de
Jan Steffen (GEOMAR; Kommunikation und Medien), 0431 – 600 2811, jsteffen(at)geomar.de