GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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Während der Weltklimakonferenz COP23 im November in Bonn haben sich die teilnehmenden Staaten auf Maßnahmen geeinigt, wie die zuvor in Paris verabschiedeten Klimaschutzziele erreicht und kontrolliert werden können. Doch selbst wenn diese Maßnahmen sofort greifen sollten, bleibt das bisher von der Menschheit ausgestoßene Kohlendioxid (CO2) noch lange in der Atmosphäre. Die Erwärmung der Erde wird also noch weiter voranschreiten. Ebenso wird der pH-Wert des Meerwassers weiter sinken, weil sich das CO2 mit dem Meerwasser zu Kohlensäure (H2CO3) verbindet.
Forscherinnen und Forscher des GEOMAR arbeiten intensiv daran herauszufinden, wie diese Prozesse langfristig das Ökosystem im Meer verändern werden. Eine grundlegende Rolle im Ökosystem Meer spielen Photosynthese betreibende Planktonorganismen, das sogenannte Phytoplankton. „Bisher ging man davon aus, dass Phytoplanktonarten, die Kalkschalen bilden, bei erhöhten CO2-Werten zu den Verlierern zählen werden“, sagt Luisa Listmann, Doktorandin im Forschungsbereich 3 „Marine Ökologie“. Denn je niedriger der pH-Wert des Wassers, desto schwieriger ist es, die Kalkschalen zu bilden. „Anders sieht es bei Phytoplanktonarten aus, die Schalen aus Silikat bilden. Sie galten bisher als potenzielle Gewinner der Ozeanversauerung“, ergänzt Giannina Hattich, die ebenfalls im FB3 promoviert.
Erste längere Versuchsreihen, zum Beispiel in den Kieler KOSMOS-Mesokosmen, lieferten Indizien, dass das Bild möglicherweise komplexer ist. „Doch sogar diese mehrmonatigen Versuche im Meer haben jeweils nur eine Planktonblüte, also einen Teil dessen, was in einem Jahr passiert, erfasst“, sagt Luisa Listmann.
In ihrer Doktorarbeit untersucht sie zusammen mit Giannina Hattich, wie sich eine Planktongemeinschaft aus Coccolithophoriden (Kalkbildner) und Diatomeen (Phytoplankton mit Silikat-Schalen) über ein Jahr mit vielen simulierten Blüten und über mehr als 200 Generationen hinweg entwickelt. „Die direkte Konkurrenzsituation der beiden untersuchten Arten ist dabei ein wichtiger Aspekt, weil die Organismen auch in der Natur in ständiger Konkurrenz stehen“, sagt Listmann.
Die Herausforderung des Projekts ist die angestrebte Koexistenz der Arten und die hohe Zahl von Generationen, um langfristige Anpassungen beobachten zu können. Im Rahmen einer Doktorarbeit oder in üblichen Projektlaufzeiten ist das nur mit einem Trick zu bewerkstelligen. In der Natur gibt es üblicherweise ein bis zwei Planktonblüten im Jahr. Dazwischen ruht das Planktonwachstum, weil die Nährstoffe fehlen. Im Labor regen Listmann und Hattich dagegen eine Blüte direkt nach der anderen an und können so in wenigen Monaten viel mehr Zyklen beobachten als es in der Natur in Jahren möglich wäre. Doch der technische Aufwand ist groß. „Wir nutzen zeitweise fast 200 Probenflaschen, die wir regelmäßig mit Nährstoffen versorgen müssen. Um naturnahe Bedingungen zu simulieren, müssen sie sich ständig bewegen“, berichtet Listmann.
Hier kam das GEOMAR Technik- und Logistikzentrum ins Spiel. „Luisa und Giannina haben uns ihr Anliegen erklärt. Wir haben dann ein System entworfen, das alle Bedingungen für den Versuch erfüllt und den beiden gleichzeitig möglichst effizientes Arbeiten ermöglicht. Die meisten Bauteile für die großen Planktonräder konnten wir dann in unseren eigenen Werkstätten herstellen“, berichtet Sven Sturm vom TLZ. „Die Zusammenarbeit war toll. Wir haben gemerkt, was für ein Vorteil es ist, dass das GEOMAR über eine so starkes technisches Team verfügt“, betont Listmann. Der Aufwand des Projekts, das im Rahmen des DFG-Schwerpunktprogramms „Dynatrait“ durchgeführt und von Dr. Birte Matthiessen und Prof. Dr. Thorsten Reusch geleitet wird, scheint sich auszuzahlen: Die Versuchsreihen liefen etwa 50 Wochen, und die Auswertung der Daten steht erst noch bevor, aber schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Ergebnis sehr viel komplexer aussieht, als erwartet.
Wer wird am Ende gewinnen, Kiesel- oder Kalkalge? „Wir erwarten die ersten Ergebnisse in etwa vier Monaten“, sagt Hattich. Sie werden unser Wissen darüber, wie der Ozean der Zukunft aussehen wird, vermutlich erheblich erweitern.