GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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Auf dem Forschungsschiff ALKOR bricht ein neuer Tag an. Die See ist außergewöhnlich ruhig und beinahe spiegelglatt. Gegen das Sonnenlicht ist in der Ferne mit zusammengekniffenen Augen die Küste von Gotland zu erkennen. Zwei der sieben Studierenden an Bord stehen, mit orangefarbenem Ölzeug, gelben Gummistiefeln und Helm bekleidet, an der Reling und schauen in das blaue Ostseewasser. Das Multinetz, das die beiden vor wenigen Sekunden ausgesetzt haben, schimmert noch leicht durch die Wasseroberfläche, bevor es in die Tiefe hinab sinkt. Im Nasslabor, das an das Arbeitsdeck angrenzt, bereiten sich weitere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler darauf vor, die Proben direkt nach dem Einholen des Netzes zu untersuchen.
Das Fahrtgebiet der ALKOR erstreckt sich vor allem auf die Nord- und Ostsee. Was zunächst weniger exotisch klingt als die Einsatzgebiete größerer Forschungsschiffe wie der FS METEOR oder der FS SONNE, ist für die Wissenschaft dennoch unverzichtbar. „Abgesehen davon, dass die Ostsee vor unserer Haustür liegt und an sich ein spannendes Arbeitsgebiet ist, dient sie in vielen Disziplinen auch als Test- und Modellgebiet für Fragen zur Entwicklung des gesamten Weltmeers. Die ALKOR ist deshalb nicht nur für uns am GEOMAR, sondern für die gesamte Forschungsgemeinde eine wichtige Plattform“, sagt GEOMAR-Schiffskoordinator Dr. Klas Lackschewitz.
Zusätzlich spielt die ALKOR bei der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses eine nicht zu unterschätzende Rolle. Viele mittlerweile gestandene Professorinnen und Professoren haben ihre ersten Einblicke in die Meeresforschung während einer Praktikumsfahrt auf der ALKOR gewonnen. Auch während der 499. Forschungsreise der ALKOR im August 2017 lernen Studierende des MasterProgramms „Biological Oceanography“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und am GEOMAR die wichtigsten Handgriffe für die Forschung auf See. Sie beproben auf der zweiwöchigen Fahrt Stationen in verschiedenen Regionen der Ostsee. Besonderes Augenmerk liegt auf dem Bornholm Becken, in dem sie an insgesamt 45 Stationen von Bakterien angefangen bis hin zu Quallen und Fischlarvenlarven das Nahrungsnetz untersuchen. Dafür setzen sie unterschiedliche wissenschaftliche Geräte an den festgelegten Positionen aus und üben so deren Einsatz und die Analyse an Bord.
Die Beprobungen werden im Rahmen von Langzeitstudien durchgeführt, die seit 1986 mehrmals jährlich stattfinden und so eine der zuverlässigsten Datenreihen zur Ökologie im offenen Wasser der Ostsee darstellen. „Langzeitdatenerhebungen stellen einen Informationsschatz dar, der unerlässlich ist, um Klimatrends von normalen zwischen jährlichen Schwankungen zu unterscheiden“, sagt Fahrtleiterin Cornelia Jaspers vom GEOMAR.
Zu den Veränderungen, die dank der ALKOR-Fahrten in der Ostsee erkannt und beobachtet werden konnten, gehört auch die Invasion fremder Arten wie der amerikanischen Rippenqualle Mnemiopsis leidyi. Sie wurde im Frühjahr 2007 erstmals von der ALKOR aus in der zentralen Ostsee beobachtet. Auch die für das Fischereimanagement grundlegende Erkenntnis, dass es in der Ostsee zwei genetisch klar zu unterscheidende Dorschbestände gibt, beruht zu einem großen Teil auf Arbeiten mit der ALKOR.
Doch nicht nur für die Biologie ist die ALKOR ein wichtiges Arbeitsmittel. Ozeanographen, Geologen, Geochemiker und –physiker nutzen das vielseitige Schiff ebenso. So diente sie unter anderem als Arbeitsplattform bei der Untersuchung von natürlichen und künstlichen Methansaustritten in der Nordsee Sogar das Tauchboot JAGO kam schon von der ALKOR aus zum Einsatz. „Seit die Fischereiwinde auf dem Arbeitsdeck vor einigen Jahren durch eine mobile Winde ersetzt wurde, können wir die ALKOR auch als Mutterschiff für Tiefseeroboter wie das ROV PHOCA nutzen und so direkt am Meeresboden arbeiten“, erklärt Schiffskoordinator Dr. Lackschwitz.
Die Expedition AL499 endet nach zwei Wochen im Hafen von Kiel. Die angehenden Biologinnen und Biologen haben insgesamt 500 DNA-Proben von verschiedensten Planktonorganismen konserviert und über 2500 Quallen vermessen. Die eingeschleppte Rippenqualle haben sie dabei glücklicherweise an nur einer Station gefunden, dafür besonders viele Dorschlarven. Über 400 wurden aus den Planktonproben der unterschiedlichen Planktonnetze im Bornholmbecken sortiert. Die genetischen Ergebnisse sollen dazu beitragen den Nachwuchs des Ostsee-Dorsches besser abschätzen zu können.
Dass die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen auf dem Schiff bestmögliche Arbeit leisten können, haben sie vor allem der Crew der Reederei Briese zu verdanken, die für einen angenehmen Aufenthalt und den reibungslosen Einsatz der Geräte an Bord sorgt hat. „Dieses gute Zusammenspiel ist nicht nur Grundlage für gute wissenschaftliche Arbeit. Sie hilft uns auch, den Studierenden die Begeisterung für die Arbeit auf See zu vermitteln“, sagt Dr. Cornelia Jaspers, „auch das ist ein wichtiger Teil ihrer Ausbildung“.
Wie sind Sie Kapitän der ALKOR geworden?
Das kam eher zufällig. Ich komme aus Büsum und habe dort 15 Jahre Krabben gefischt. Das wurde mir dann zu bürokratisch. Anschließend habe ich Nautik studiert. Bevor ich auf die ALKOR kam, war ich als 2. Offizier auf der METEOR bei einer anderen Reederei. Die Reederei setzt den nächsten Einsatz für einen fest. So bin ich irgendwann auf die ALKOR gekommen, auf der ich seit Juni 2004 Kapitän bin.
Was ist für Sie das Besondere an der ALKOR?
Der Vorteil gegenüber größeren Schiffen ist, dass man nicht so lange unterwegs ist. Außerdem ist die Atmosphäre viel familiärer und alles läuft über kürzere Dienstwege.
Die ALKOR hat jetzt mehr als 500 Expeditionen absolviert. Bei wie vielen waren Sie dabei?
Angefangen habe ich mit der Fahrt AL217. Die Fahrt ging ins Arkona-Becken, nach Bornholm, ins Gotland Becken und wieder zurück. Das war im März 2003. Aber seitdem war ich natürlich nicht bei auf allen Fahrten dabei.
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an Bord?
Natürlich gibt es immer Menschen, mit denen man sich besser versteht als mit anderen, das geht jedem so und ist ganz normal. Generell funktioniert das aber gut. Dazu kommt, dass ich viele interessante Reisen unternehme auf denen ich im Gespräch mit den Forschenden immer wieder spannende Dinge dazulerne.
Das Anlagemanöver an der GEOMAR-Pier West sieht für Außenstehende immer recht kompliziert aus. Wie schwer ist es die ALKOR rückwärts seitwärts einzuparken?
Jedes Manöver, das ich fahre, ist neu. Das liegt an den sich ständig ändernden Verhältnissen auf dem Wasser. Mit jahrelanger Erfahrung ist es für mich aber leichter die Situation abzuschätzen. Ich weiß jetzt was alles passieren KÖNNTE. Trotzdem ist Konzentration das Wichtigste. Das Steuern eines Schiffes wird nie zur Routine. Und andersherum ist es auch wichtig, dass ich als Kapitän nicht in Routine verfalle.