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Seegraswiese in der Kieler Bucht. Foto: Thorsten Reusch, GEOMAR
Seegraswiesen bilden einen Lebensraum für Krebstiere, Jungfische und viele andere. Foto: Thorsten Reusch, GEOMAR

Genom einer Wunderpflanze entschlüsselt

Multinationales Forscherteam untersucht Evolution des Großen Seegrases

Beim Baden am Strand wird das Seegras oft als störend wahrgenommen, jedoch unterschätzen viele seine enorme ökologische und wirtschaftliche Bedeutung. Seegraswiesen bilden unter anderem Brutplätze für Fische, Verstecke für Jungfische und Lebensraum für Muscheln, Schnecken und Krebse. Ein europäisch­amerikanisches Konsortium hat nun in einem achtjährigen Projekt den genetischen Bauplan des Großen Seegrases (Zostera marina) entschlüsselt.

An der Arbeit waren 20 Arbeitsgruppen aus neun Ländern beteiligt, darunter federführend die Universitäten Groningen (Niederlande) und Gent (Belgien) sowie das GEOMAR und der Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“. „Über die Genomsequenzierung wollten wir Aufschlüsse über die einzigartige Evolution der Seegräser gewinnen“, sagt Prof. Dr. Thorsten Reusch vom GEOMAR, einer der drei Koordinatoren und Mitautor der Studie, die in der Fachzeitschrift Nature erschienen ist.
Als ursprüngliche Landpflanze, die sich evolutionär wieder an das Meeresleben anpassen konnte, ist das Seegras für die Wissenschaft besonders interessant. Die Vorfahren des heutigen Zostera marina sind einkeimblättrige Pflanzen, zu denen auch Weizen gehört. Dank der Entschlüsselung des Genoms konnte das Team nachvollziehen, wie im Lauf der Entwicklungsgeschichte zahlreiche Anpassungen an das Landleben wieder verloren gingen, zum Beispiel der Aufbau von Stützgewebe oder Mechanismen, um sich gegen Verdunstung zu schützen.
Im gleichen Maße sind neue Gene erschienen, die Anpassungen an den Lebensraum Meer darstellen. So konnten die Forscher Genfamilien identifizieren, die eine Bestäubung unter Wasser ermöglichen und den Pflanzen helfen, mit hohen Salzgehalten, geringen Lichtstärken sowie einer veränderten Parasitenzusammensetzung zurechtzukommen. Weitere Analysen zeigten, dass die Ausbreitung der Seegräser mit dem Ende der Kreidezeit vor etwa 67 Millionen Jahren zusammenfällt. Damals starben rund 70 Prozent aller Tiere und Pflanzen aus.
„Diese Studie zeigt das enorme Potenzial der vergleichenden Genomforschung und demonstriert gleichzeitig, dass in den Biowissenschaften grundlegende Erkenntnisse vielfach nur noch in großen, internationalen Teams zu erzielen sind“, sagt Professor Reusch. Ferner betont er: „Ohne Seegras handelt es sich beim Meeresboden nur um einen zweidimensionalen Sandgrund. Mit Seegras hingegen ist er ein reich strukturierter, dreidimensionaler Lebensraum.“. In den vergangenen Jahren sind Seegraswiesen – vor allem durch Überdüngung und direkte Zerstörung des Lebensraums – weltweit stark zurückgegangen. Die allgemeine Klimaerwärmung bedroht die Pflanzen ebenfalls. „Eine ,genetische Rettung‘ für nördlichere Bestände könnten wärmetolerante Bestände aus südlichen Regionen darstellen“, so Reusch. Das nun publizierte Genom kann dabei eine wichtige Grundlage bilden, um die am besten geeigneten Genotypen auszuwählen.
Auch für die Biotechnologen ist die Genomsequenzierung interessant, denn Seegräser können anders als alle anderen Nutzpflanzen unter hohen Salzgehalten (vor allem Natrium- und Chlorid-Ionen) existieren. „Somit bietet das Genom eine wertvolle Ressource für Biotechnologen, um Anpassungen an Versalzung bei Nutzpflanzen zu untersuchen“, erklärt Reusch.

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Seegraswiese in der Kieler Bucht. Foto: Thorsten Reusch, GEOMAR
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Seegraswiesen bilden einen Lebensraum für Krebstiere, Jungfische und viele andere. Foto: Thorsten Reusch, GEOMAR
Seegraswiesen bilden einen Lebensraum für Krebstiere, Jungfische und viele andere. Foto: Thorsten Reusch, GEOMAR
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