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Mikroskopaufnahme der Kalkalge Emiliana huxleyi, Foto: Lennart Bach, GEOMAR
Mikroskopaufnahme verschiedener Coccolithophoriden: (A) Coccolithus pelagicus, (B) Calcidiscus leptoporus, (C) Braarudosphaera bigelowii, (D) Gephyrocapsa oceanica, (E) E. huxleyi, (F) Discosphaera tubifera, (G) Rhabdosphaera clavigera, (H) Calciosolenia murrayi, (I) Umbellosphaera irregularis, (J) Gladiolithus flabellatus, (K and L) Florisphaera profunda, (M) Syracosphaera pulchra, and (N) Helicosphaera carteri. Maßstab: 5μm. Abbildung: Fanny M. Monteiro et al. Sci Adv 2016;2:e1501822
Prüfung einer Flasche mit einer Kultur von Emiliania huxleyi in den Laboren des GEOMAR. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Forscher entnehmen eine Wasserprobe aus einem Mesokosmos im Raunefjord, Norwegen. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen geographische Bereiche, bei denen einzelne Vorteile der Kalbildung zum Tragen kommen. Grün: Höhere Lichtaufnahme zur Steigerung der Photosynthese, Blau: Schutz gegen virale und bakterielle Infektionen, Orange: Schutz gegen Fraß. Abbildung: Fanny M. Monteiro et al. Sci Adv 2016;2:e1501822

Kalkbildung – ein Auslaufmodell für einzelliges Phytoplankton?

Kosten und Nutzen der Kalkbildung für einzelliges Phytoplankton im Klimawandel

Sie hüllen sich in undurchdringliche Schuppenpanzer, bewehren ihr Äußeres mit spitzen Stacheln, entfalten Sonnenschirme gegen zu starke Einstrahlung oder strecken trompetenförmige Sammeltrichter nach dem Licht aus– Coccolithophoriden, einzellige kalkbildende Phytoplankton-Arten, umgeben ihr Inneres mit verschiedenartigsten Schalen. Unter dem Mikroskop zeigt sich die ganze faszinierende Formenvielfalt, welche die Winzlinge im Laufe von Jahrmillionen entwickelt haben.

„All diese Formen haben sich in der Entwicklungsgeschichte der Coccolithophoriden ausgezahlt“, urteilt Prof. Ulf Riebesell, Meeresbiologe am GEOMAR und Koordinator des deutschen Forschungsverbunds zur Ozeanversauerung BIOACID. „Aber ob sie das auch weiterhin tun werden, verstehen wir nur, wenn wir den Nutzen und die Energie abwägen können, welche diese Algen zukünftig für die Kalkproduktion aufbringen müssen.“

Coccolithophoriden spielen eine wichtige Rolle für die Stoffkreisläufe im Ozean, für das marine Nahrungsnetz und für das Klima auf der Erde. Laborstudien, Freilandexperimente und Modellrechnungen legen nahe, dass die „Dienstleistungen“ der winzigen Multitalente im Zuge des globalen Klimawandels verloren gehen könnten.
Forschende aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich und den Vereinigten Staaten untersuchten den Energieaufwand und die Vorteile der Kalkbildung. „Wenn der Ozean in Zukunft wärmer wird und mehr Kohlendioxid aus der Atmosphäre aufnimmt, müssen die Einzeller insgesamt mehr Energie für die Kalkbildung aufbringen, die ihnen dann für andere Funktionen wie Wachstum oder Vermehrung fehlt“, erklärt Riebesell. „Das zusätzliche Kohlendioxid im Meer stimuliert zwar die Photosynthese, aber der gleichzeitig sinkende pH-Wert erschwert die Kalkbildung deutlich.“

Rund 200 unterschiedliche Arten von Coccolithophoriden sind heute bekannt. Gemeinsam produzieren sie bis zu zehn Prozent der Biomasse in den Weltmeeren. Außerdem halten sie den marinen Kohlenstoffkreislauf in Schwung: Beschwert mit den Kalkplättchen der Coccolithophoriden, sinkt organisches Material zum Ozeanboden. So kann neues Kohlendioxid aus der Atmosphäre in höhere Wasserschichten aufgenommen und dort verarbeitet werden – und der Ozean weiterhin die Folgen des Klimawandels abmildern. Bleiben die Kalkplättchen leichter, lässt auch der Transport in die Tiefe nach, und weniger Kohlendioxid wird an der Oberfläche umgesetzt. Als dritten „Service“ setzen Coccolithophoriden das Gas Dimethylsulfid (DMS) frei, das die Wolkenbildung in der Atmosphäre fördert und dadurch unseren Planeten gleichsam kühlt. Schrumpfen die Kalkalgen-Populationen, entsteht im Ozean weniger DMS.
In einem Langzeit-Experiment in den Laboren des GEOMAR zeigte die wichtigste einzellige Kalkalge Emiliania huxleyi, dass sie sich durch Evolution an Veränderungen in ihrem Lebensraum  anpassen kann. Schon 2012 lieferten GEOMAR-Forscher den prinzipiellen Beweis für die evolutionäre Anpassung an Ozeanversauerung. 2014 konnten sie vermelden, dass sich Emiliania huxleyi sogar gleichzeitig auf steigende Wassertemperaturen und Ozeanversauerung einstellen kann.

Jetzt, vier Jahre, beziehungsweise 2.100 Algen-Generationen nach Start des Experiments, stellten die Wissenschaftler fest: Die Zellen angepasster Populationen teilten sich zwar deutlich schneller als die nicht-angepassten, wenn beide der Ozeanversauerung ausgesetzt waren. Aber ihre Fitness verbesserte sich nur unwesentlich, und die Organismen produzierten weniger Kalk. „Das Potenzial von Emiliania huxleyi ist geringer als anfangs vermutet – und die evolutionäre Antwort von Phytoplankton-Organismen bei weitem komplexer als unsere ersten Ergebnisse nahelegten“, bilanziert Prof. Dr. Thorsten Reusch, Leiter der Marinen Ökologie am GEOMAR und Koordinator der Studie.

Zurzeit laufen weitere Untersuchungen, die zellbiologischen Mechanismen zu verstehen, durch die ihre Kalkbildung reguliert wird. Parallel ergründen GEOMAR-Forschende, ob die im Labor erworbene – wenn auch begrenzte – Anpassung der Kalkalge in der Natur einen Wettbewerbsvorsprung verschaffen konnte: Im Experiment mit den Kieler KOSMOS-­Mesokosmen 2015 im Raunefjord bei Bergen in Norwegen entließen sie Populationen, die sich im Labor unter erhöhten Kohlendioxid-Konzentrationen entwickelt hatten, in ihre Versuchswelten. Auch die Anpassung schien nicht verhindern zu können, dass Emiliania huxleyi im saureren Wasser das Nachsehen hatte.

Mehr zum Thema
Kalkbildung – ein Auslaufmodell für einzelliges Phytoplankton?: www.geomar.de/n4593
Ozeanversauerung – die Grenzen der Anpassung: www.geomar.de/n4583
Evolution im Ozean: www.geomar.de/n641
Das Projekt BIOACID: www.bioacid.de

Mikroskopaufnahme der Kalkalge Emiliana huxleyi, Foto: Lennart Bach, GEOMAR
Mikroskopaufnahme der Kalkalge Emiliana huxleyi, Foto: Lennart Bach, GEOMAR
Mikroskopaufnahme verschiedener Coccolithophoriden: (A) Coccolithus pelagicus, (B) Calcidiscus leptoporus, (C) Braarudosphaera bigelowii, (D) Gephyrocapsa oceanica, (E) E. huxleyi, (F) Discosphaera tubifera, (G) Rhabdosphaera clavigera, (H) Calciosolenia murrayi, (I) Umbellosphaera irregularis, (J) Gladiolithus flabellatus, (K and L) Florisphaera profunda, (M) Syracosphaera pulchra, and (N) Helicosphaera carteri. Maßstab: 5μm. Abbildung: Fanny M. Monteiro et al. Sci Adv 2016;2:e1501822
Mikroskopaufnahme verschiedener Coccolithophoriden: (A) Coccolithus pelagicus, (B) Calcidiscus leptoporus, (C) Braarudosphaera bigelowii, (D) Gephyrocapsa oceanica, (E) E. huxleyi, (F) Discosphaera tubifera, (G) Rhabdosphaera clavigera, (H) Calciosolenia murrayi, (I) Umbellosphaera irregularis, (J) Gladiolithus flabellatus, (K and L) Florisphaera profunda, (M) Syracosphaera pulchra, and (N) Helicosphaera carteri. Maßstab: 5μm. Abbildung: Fanny M. Monteiro et al. Sci Adv 2016;2:e1501822
Prüfung einer Flasche mit einer Kultur von Emiliania huxleyi in den Laboren des GEOMAR. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Prüfung einer Flasche mit einer Kultur von Emiliania huxleyi in den Laboren des GEOMAR. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Forscher entnehmen eine Wasserprobe aus einem Mesokosmos im Raunefjord, Norwegen. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Forscher entnehmen eine Wasserprobe aus einem Mesokosmos im Raunefjord, Norwegen. Foto: Maike Nicolai, GEOMAR
Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen geographische Bereiche, bei denen einzelne Vorteile der Kalbildung zum Tragen kommen. Grün: Höhere Lichtaufnahme zur Steigerung der Photosynthese, Blau: Schutz gegen virale und bakterielle Infektionen, Orange: Schutz gegen Fraß. Abbildung: Fanny M. Monteiro et al. Sci Adv 2016;2:e1501822
Die Ergebnisse der Berechnungen zeigen geographische Bereiche, bei denen einzelne Vorteile der Kalbildung zum Tragen kommen. Grün: Höhere Lichtaufnahme zur Steigerung der Photosynthese, Blau: Schutz gegen virale und bakterielle Infektionen, Orange: Schutz gegen Fraß. Abbildung: Fanny M. Monteiro et al. Sci Adv 2016;2:e1501822
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