GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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Die jüngste Insel der Kanaren ist zurzeit die geologisch aktivste: 500 Jahre lang war keine vulkanische Aktivität mehr auf El Hierro zu beobachten – bis am 10. Oktober 2011 ein untermeerischer Vulkan etwa zwei Kilometer vom Küstenort La Restinga entfernt ausbrach. Angetrieben von Bedenken, der neue Vulkan gefährde die Insel, wurden umfangreiche Forschungsarbeiten initiiert.
Doch erst mehr als vier Jahre später konnten Wissenschaftler das Gebiet tatsächlich in Augenschein nehmen: Auf der Expedition POS494/2 mit dem Forschungsschiff POSEIDON (7. bis 15. Februar 2016), die unter der Leitung von Prof. Mark Hannington vom GEOMAR stand, dokumentierten sie mit dem Tauchboot JAGO die Entwicklung des Gebiets und die noch immer andauernde hydrothermale Aktivität. Sie sammelten Proben von Gasen, Flüssigkeiten und anderen Produkten vulkanischen und hydrothermalen Ursprungs. Die Reise fand im Rahmen der 2014 geschlossenen Kooperation zwischen der Universität von Las Palmas de Gran Canaria (ULPGC), der Plataforma Oceánica de Canarias (PLOCAN) und des GEOMAR statt. Maßgeblich beteiligt war diesmal auch das Instituto Español de Oceanografía, Centro Oceanográfico de Canarias (IEO) und das spanische Forschungsprojekt VULCANO.
„VOLCANO erfasst die vulkanische Aktivität El Hierros seit der Eruption im Oktober 2011. Aber auf der aktuellen Expedition profitierten wir von der einmaligen Gelegenheit, die Entwicklungen am Meeresboden mit dem Tauchboot JAGO zu untersuchen“, fasst Prof. Dr. Juana Magdalena Santana Casiano zusammen. Die chemische Ozeanografin des Instituts für Ozeanografie und globalen Wandel an der Universität Las Palmas untersucht die physikalischen und chemischen Störungen, mit denen der untermeerische Vulkan die Zusammensetzung und die Aktivität der lokalen Plankton-Gemeinschaft beeinflusst. „Unsere Erkenntnisse verdeutlichen, dass die Phase der Gasaustritte wie ein natürliches Labor funktioniert, in dem sich Auswirkungen des globalen Wandels auf die marine Umwelt beobachten lassen.“
2014 lieferte das ferngesteuerte Unterwasserfahrzeug ROV Liropus 2000 des Instituto Español de Oceanografía Bilder von ausgedehnten Eisenoxid-Krusten, Bakterienmatten und Gasaustritten nahe der Spitze des Vulkans. 2015 hatten sich die Gas-Wolke und stark versauerte Wassermassen jedoch in den Südosten des Gipfels verlagert. Jetzt konzentrieren sie sich in einer jüngeren Senke an der oberen Flanke des Vulkans. Sehr frisch entstandenes vulkanisches Glas, das JAGO im Krater gesammelt hat, weist darauf hin, dass diese Struktur die neueste ist.
Auf ihren Tauchgängen mit JAGO untersuchten Prof. Santana Casiano und Dr. Fraile Nuez diesen zweiten, etwa zehn Meter tiefen Krater erstmals im Detail. Zu erkennen waren sehr frische Aschen und Schlacken, die mit einer Schicht aus Eisenoxid überzogen waren. Über einen mehrere 100 Quadratmeter großen Bereich am Boden des Kraters verteilt trat bis zu 39 Grad Celsius warmes Wasser aus. Einige der Austritte konzentrierten sich in etwa fünf Zentimeter großen Schloten. Eine dünne Bakterienschicht bedeckte alle umliegenden Oberflächen, und das Wasser über dem Krater wurde von einer milchig-weißen Wolke getrübt. Im Gegensatz zu diesem noch relativ unbelebten, etwa vier Jahre alten Gebiet waren die älteren Laven bereits leicht verwittert und von Fischen, Garnelen, Polychaeten und Algen bevölkert. „Den aktuellen Beobachtungen nach ‚schwimmt’ der Vulkan seit 2011 in warmem Wasser, während das Magma unter ihm abkühlt“, folgert Prof. Mark Hannington, Meeresgeologe am GEOMAR und wissenschaftlicher Leiter der Expedition POS494/2. „Darum ist es wichtig, ihn weiterhin zu beobachten und die laufenden Veränderungen zu bewerten.“ GEOMAR, IEO und ULPGC arbeiten derzeit gemeinsam daran, die Prozesse am Meeresboden genauer zu entschlüsseln.
Bei der Interpretation helfen auch Messdaten von neun seismischen Stationen, mit denen das GEOMAR das Netzwerk des Instituto Geográfico Nacional (IGN) auf El Hierro ergänzt. Diese Geräte wurden jetzt ausgelesen und mit neuen Speichern versorgt. Die Wissenschaftler hoffen, anhand der Mikro-Seismizität und kleinerer Erdbeben, die ihre Instrumente aufgezeichnet haben, Deformation zu erkennen, die von Magmenbewegungen ausgelöst wurden. So können sie mehr über die vertikale und horizontale Verteilung des Magmas lernen. „Seit fünf Jahren ist noch immer eine anhaltende seismische Aktivität zu verzeichnen. Wir erkennen horizontale Schwärme von kleineren Erdbeben, die sich unter der ganzen Insel ausbreiten“, erklärt Dr. Dietrich Lange. Der Seismologe am GEOMAR ist zuständig für die zusätzlichen deutschen Mess-Stationen auf El Hierro. „Wir nehmen an, dass sich dort Magma ausbreitet, das nicht an die Oberfläche gelangen kann. Hierdurch hebt sich das Gebiet außerdem wenige Zentimeter weit an. Momentan ist es ruhig, aber es hat bereits mehrere dieser Phasen gegeben, und wir versuchen, herauszufinden, ob die seismische Aktivität räumlichen oder zeitlichen Mustern folgt.“
Mehr: www.geomar.de/n4290
Das Forschungsprojekt VULCANO: www.vulcanoelhierro.es
Video: Mit Tauchboot JAGO zum Unterwasser-Vulkan auf El Hierro:
www.geomar.de/go/elhierro