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Prof. Dr. Katja Matthes auf dem Dach des GEOMAR-Erweiterungsneubaus. Foto: Jens Klimmeck/GEOMAR
Foto: Thomas Eisenkrätzer
Prof. Dr. Katja Matthes mit Fahhrad an der Schwentine. Foto: Gunnar Dethlefsen/3Komma3

Neue Perspektiven für das GEOMAR

Direktorin Katja Matthes im Interview

Am 1. Oktober hat Professorin Katja Matthes die Leitung des GEOMAR übernommen. Im Interview skizziert die Klimaexpertin die ersten Ziele ihrer Amtszeit. Viele Jahre hat Katja Matthes über natürliche Klimavariabilität und insbesondere den Einfluss der Sonne auf das Klima der Erde geforscht: nach ihrem Studium zunächst an der FU Berlin, dann für einige Jahre am National Center for Atmospheric Research in Boulder, Colorado (USA), anschließend in Berlin und am GFZ in Potsdam und seit 2012 am GEOMAR in Kiel. Seit Oktober ist sie die neue Direktorin des GEOMAR.

Fällt es Ihnen schwer, die Forschung jetzt aufzugeben und ins Management zu wechseln?
Künftig nicht mehr selber wissenschaftlich zu arbeiten, ist für mich auf jeden Fall ein sehr großer Einschnitt. Aber die neue Aufgabe ist so reizvoll, dass ich dafür bewusst die aktive Wissenschaft verlassen habe. Jetzt geht es für mich primär darum sicherzustellen, dass am GEOMAR weiterhin exzellente Rahmenbedingungen für Ozeanforschung auf internationalem Spitzenniveau gewährleistet werden. Als Direktorin muss ich größere strategische Zusammenhänge betrachten und den Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Gesellschaft aktiv mitgestalten.

Wie sehen Ihre Ziele für die ersten hundert Tage aus? Was möchten Sie kurz- mittel- und langfristig am GEOMAR verändern?
Ich finde hier am GEOMAR ein sehr motiviertes und engagiertes Team: Es sind die Mitarbeiter*innen in Wissenschaft, Technik und Verwaltung, die mit ihren Ideen, ihrer Kreativität und ihrem Engagement unser Zentrum voranbringen. Ich möchte insbesondere den in den vergangenen Monaten begonnenen strategischen Prozess in der Wissenschaft voranbringen. Die Strategieentwicklung, aber auch der Beginn der neuen Periode der Programmorientierten Förderung ab Januar 2021, bieten die Chance, einige Dinge neu zu denken und zu gestalten. Ich möchte ferner den Zusammenhalt zwischen Wissenschaft und Verwaltung stärken. Mittelfristig müssen wir uns auch mit der Erneuerung der in die Jahre gekommenen Infrastruktur beschäftigen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.  

Können Sie uns zur Strategieentwicklung schon etwas Näheres verraten?
Unter dem Motto „Unsere Welt ist der Ozean“ geht es zum Einen um das Entdecken und das Verstehen des Ozeans, zum Anderen um seinen Schutz, aber auch die Nutzung. Wir wollen unsere Forschungsarbeiten künftig in drei große Themenfelder strukturieren: „Ozean und Klima“, „Der Mensch und das Marine Ökosystem“ sowie „Marine Naturgefahren und Ressourcen“. Letztendlich geht es in allen Bereichen um die Beziehung zwischen Mensch und Meer.
Wie verändern wir die Meere, welche Veränderungen entstehen daraus für uns, welche Chancen und Risiken liegen in diesem größten Lebensraum auf unserem Planeten? In Zukunft muss das GEOMAR weiterhin für exzellente Grundlagenforschung stehen, aber auch, ganz im Sinne der Mission der Helmholtz-­Gemeinschaft, für Beiträge zu nachhaltigen Lösungen der drängenden gesellschaftlichen Herausforderungen wie den Klimawandel oder den Artenverlust.

Sie haben sich in den vergangenen Jahren sehr dafür engagiert, dass mehr Frauen der Weg auf Führungspositionen ermöglicht wird. Wo steht das GEOMAR hier aktuell aus Ihrer Sicht?
Bei Geschlechtergerechtigkeit sind wir sicher noch nicht am Ziel, aber wir sind hier am GEOMAR auf einem guten Weg, mehr hochqualifizierte Frauen in Führungspositionen aber auch im wissenschaftlichen Mittelbau zu rekrutieren und somit einen Strukturwandel einzuläuten. Wir sind noch ein gutes Stück von einer echten Gleichstellung entfernt, haben uns aber zum Ziel gesetzt, bis 2025 den Frauenanteil in den Bereichen, in denen Frauen unterrepräsentiert sind, auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Am GEOMAR sind wir im Bereich der Gleichberechtigung der Geschlechter bereits sehr gut aufgestellt, unter anderem mit dem Women’s Executive Board. Das zeigen auch die Ergebnisse des gerade zu Ende gegangenen EU-Projekts Baltic Gender, welche in den neuen Gleichstellungsplan einfließen. Nicht nur das Thema Gleichstellung, sondern auch Vielfalt, Nachwuchsförderung, Kooperationen und Internationalisierung, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, sowie Wissens- und Technologietransfer sind sehr wichtige Elemente der neuen GEOMAR-Strategie, die letztendlich von den Mitarbeiter*innen getragen und gelebt werden muss.

Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Stichwort das in diesem Zusammenhang oft genannt wird. Wie haben Sie das persönlich hinbekommen?
Voraussetzung für die Vereinbarkeit ist seit vielen Jahren ein erprobtes und belastbares Engagement meines Partners zur gemeinsamen Verantwortung. Hinzu kamen die Offenheit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wie wir sie in den USA zu Beginn der Familiengründungsphase erlebt haben. Es war eine Selbstverständlichkeit, ein Baby mit zu Meetings und Veranstaltungen zu bringen und Zeit mit der Familie zu verbringen, obwohl man in einer Führungsposition war. Aus meinen eigenen Erfahrungen ist es mir daher ein besonders wichtiges Anliegen, sehr gute Rahmenbedingungen für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie am GEOMAR auch in Kooperation mit Partnereinrichtungen in Kiel zu schaffen.

Welche Akzente und Prioritäten wollen Sie als Klimaforscherin am GEOMAR gerne setzen?
Klimaforschung kann man nicht ohne den Ozean machen! Der Ozean hat eine Pufferfunktion fürs Klima, er nimmt einen Großteil des menschgemachten CO2 auf, wird dadurch wärmer, aber auch saurer und sauerstoffärmer mit Folgen für das marine Ökosystem. Wenn wir es noch schaffen wollen, die Klimaerwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, müssen wir nicht nur den Treibhausgasausstoß massiv reduzieren, sondern auch künstlich CO2 aus der Atmosphäre entziehen und hierfür können wir den Ozean nutzen. Ideen hierzu sind beispielsweise die Renaturierung von Küstengewässern durch Seegraswiesen oder Mangrovenwälder sowie die Erhöhung des Säurebindungsvermögens von Meerwasser durch das Einbringen von Gesteinsmehl zur Neutralisierung von CO2.
Aber wir brauchen nicht nur exzellente Forschung und innovative Ideen, sondern müssen uns auch alle gemeinsam anstrengen, ob in der Freizeit oder im Beruf, um einen kleinen, aber wichtigen Beitrag hin zur Klimaneutralität zu leisten. Hier sehe ich auch noch Potential am GEOMAR, zum Beispiel beim Thema Energieverbrauch, bei den Reisetätigkeiten oder dem ressourcenschonenden Wirtschaften. Dies werden wir gemeinsam angehen, um das GEOMAR und seine Forschung möglichst bald klimaneutral zu betreiben.

Was ist Ihre Vision für das GEOMAR in 2030?
Dass wir nicht nur weiterhin zu den weltweit führenden Meeresforschungseinrichtungen zählen, sondern mit unseren Forschungsergebnissen der Gesellschaft und der Politik Handlungswissen vermitteln, so dass die Politik Rahmenbedingungen setzen kann, um nachfolgenden Generationen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Dazu gehört, dass wir im Sinne der im kommenden Jahr beginnenden UN Dekade der Ozeanforschung für Nachhaltige Entwicklung bis 2030 einen entscheidenden Beitrag leisten und der Ozean in den Köpfen der Bevölkerung und der Politik eine wichtige Rolle zu nachhaltigen Lösungen für die drängenden Zukunftsfragen spielt.
 
Die Fragen stellte Andreas Villwock.

 

Prof. Dr. Katja Matthes auf dem Dach des GEOMAR-Erweiterungsneubaus
Prof. Dr. Katja Matthes auf dem Dach des GEOMAR-Erweiterungsneubaus. Foto: Jens Klimmeck/GEOMAR
Prof. Dr. Katja Matthes steht vor Gebäude 8.
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Prof. Dr. Katja Matthes mit Fahhrad an der Schwentine. Foto: Gunnar Dethlefsen/3Komma3
Prof. Dr. Katja Matthes mit Fahhrad an der Schwentine. Foto: Gunnar Dethlefsen/3Komma3
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