GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel
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Ohne Kohlendioxid wäre das Leben auf der Erde kaum möglich. Pflanzen benötigen das Gas, um über Photosynthese Energie zu gewinnen. Ohne die Treibhauswirkung des Gases in der Atmosphäre würde die Oberflächentemperatur der Erde im Durchschnitt minus 18 Grad Celsius betragen – unser Planet wäre eine Eiskugel. „Wir können also froh sein, dass es Kohlendioxid in der Atmosphäre gibt. Aber wie so oft macht die Dosis das Gift“, sagt Prof. Dr. Andreas Oschlies, Spezialist für Erdsystemmodellierung am GEOMAR.
Derzeit steigt die Dosis mit noch nie dagewesener Geschwindigkeit. Die Menschheit hat seit Beginn der Industrialisierung vor etwa 250 Jahren gigantische Mengen an Kohlenstoff in Form von Kohle, Erdöl oder Gas aus dem Erdinneren geholt und verbrannt, um Energie zu gewinnen. Auf diese Weise gelangten mehr als 2.200 Milliarden Tonnen Kohlendioxid (CO2) zusätzlich in die Atmosphäre. Der Anteil des Gases an der Lufthülle unseres Planeten hat sich von 0,028% (oder auch: 280 parts per million, kurz ppm) um das Jahr 1750 auf aktuell 0,0415% (415 ppm) erhöht. „Mehr CO2 in der Atmosphäre bedeutet natürlich auch einen stärkeren Treibhauseffekt. Es ist also unvermeidlich, dass die globalen Temperaturen steigen“, sagt Professor Oschlies.
So stieg die Jahresdurchschnittstemperatur in Deutschland seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1881 um 1,3 Grad Celsius. Die globale mittlere Oberflächentemperatur ist im zurückliegenden Jahrhundert um etwa 1 Grad gestiegen. Die Auswirkungen dieser Erwärmung sind bereits sichtbar. Die Gletscher der Polarregionen und Hochgebirge schmelzen, der Meeresspiegel steigt und im größten Korallenriff der Erde, dem australischen Great Barrier Reef, starben in den zwei warmen Sommern 2016 und 2017 rund die Hälfte aller Korallen an Hitzestress. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.
Strategien zur Senkung der Erderwärmung
Um die Folgen des globalen Temperaturanstiegs einzuschränken, haben sich im Jahr 2015 175 Staaten in Paris drauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Gleichzeitig steigen die weltweiten Kohlendioxid-Emissionen weiter an und erreichten 2018 sogar einen neuen Rekordwert.
Um das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten, dürften – so der Weltklimarat (IPCC) – ab 2018 noch etwa 420 Milliarden Tonnen Kohlendioxid emittiert werden. 1.200 Milliarden Tonnen wären es, wenn die Temperatur nicht über 2 Grad Celsius steigen soll. Die gegenwärtigen Kohlendioxid-Emissionen liegen bei gut 40 Milliarden Tonnen pro Jahr. „Damit wäre das Guthaben für das 1,5-Grad-Ziel schon vor 2030 aufgebraucht, jenes für das 2-Grad-Ziel im Zeitraum vor 2050“, rechnet Andreas Oschlies vor. Wenn die Auswirkungen der vom Menschen verursachten Klimaerwärmung nicht noch deutlich intensiver ausfallen sollen als ohnehin schon, sind schnelle Maßnahmen erforderlich.
Dazu gehört, die Kohlendioxid-Emissionen zu reduzieren. Das kann auf vielfältige Weise geschehen, unter anderem indem das Treibhausgas an Kohle- oder Gaskraftwerken, an Zementwerken oder auch an Biogasanlagen gleich wieder abgeschieden wird, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Anschließend könnte man es im Erdinneren speichern. Dieses Verfahren wird als CCS (Carbon Capture and Storage bezeichnet).
„Aber auch drastische Maßnahmen zur Emissionsreduktion würden alleine nicht mehr reichen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen“, sagt Oschlies. Er bezieht sich dabei auf Berechnungen des IPCC. Bereits 2013 geht dieser in seinem 5. Sachstandsbericht in fast allen gerechneten Szenarien davon aus, dass für eine Begrenzung der Erderwärmung auf unter 2 Grad Celsius auch die Entnahme großer Mengen Kohlendioxid direkt aus der Atmosphäre notwendig ist. Im Sonderbericht zum 1,5-Grad-Ziel 2018 gilt das für alle Szenarien. Es geht dabei um einige Milliarden Tonnen CO2 pro Jahr, die aus der Erdatmosphäre entfernt werden müssten. Auch sie müssten irgendwo gespeichert werden.
ECO2: Risiken und Folgen von CO2-Speicherung im Meeresboden
Als Speicherort für Kohlendioxid bieten sich bestimmte Gesteinsformationen oder ausgediente Erdgas- beziehungsweise Erdölfelder an. Das größte Speicherpotenzial in Europa bieten tiefe salzhaltige Grundwasserleiter und andere tief unter dem Meeresboden gelegene geologische Formationen vor der Nordseeküste. Außerdem hat der Meeresboden den Vorteil, dass das Wasser als zusätzlicher Deckel für die Speicher dient.
Prof. Dr. Klaus Wallmann vom GEOMAR hat von 2011 bis 2015 das von der Europäischen Union finanzierte Forschungsprojekt ECO2 geleitet. Es war weltweit das erste multinationale Verbund-Projekt, das sich intensiv mit den Risiken und möglichen Folgen von CO2-Speicherung im Meeresboden beschäftigte.
Das IFM-GEOMAR (ab 2012: GEOMAR) bot die idealen Voraussetzungen, um das Thema zu bearbeiten. Schon Mitte der 1980er Jahre hatten Kieler Meeresforscherinnen und Meeresforscher weltweit Aufsehen erregt, als sie vor der Küste von Oregon natürliche Erdgasquellen am Meeresboden nachweisen konnten. „Mit dieser Entdeckung, die auf die Arbeiten von Professor Erwin Süß zurückgingen, begann eine intensive Forschung zu den natürlichen Erdgas-Emissionen am Meeresboden“, berichtet Wallmann. Dazu gehörte auch die Entwicklung von Methoden und Techniken, Gas im Wasser und im Meeresboden nachzuweisen. Doch nicht nur das. Am GEOMAR arbeiteten auch Experten für Ozeanversauerung. „Wir konnten also nicht nur die geologischen und physikalischen Aspekte des Themas abdecken, sondern auch die Auswirkungen möglicher Speicherlecks auf die Lebewelt im Meer“, sagt Wallmann.
Aufbauend auf dieser breiten Expertise und mit Unterstützung des Kieler Exzellenz-Clusters „Ozean der Zukunft“ brachte er insgesamt 28 Partner-Einrichtungen aus acht europäischen Ländern zusammen, um erstmals eine umfassende Risikoanalyse der CO2-Speicherung im Meeresboden zu erstellen.
Ein ideales Untersuchungsfeld gab es auch. Denn als das Projekt startete, speicherte der norwegische Staatskonzern Statoil (heute: Equinor) schon seit mehr als 15 Jahren CO2 oberhalb des Sleipner-Gasfelds in der norwegischen Nordsee. Kohlendioxid, welches bei der Erdgasförderung anfällt, wird dort in die sogenannte Utsira-Sandsteinformation gepresst. „Anhand dieses praktischen Beispiels konnten wir sehr gut die Sicherheit von submarinen Speichern überprüfen“, erklärt Wallmann.
Um weitere Daten über das Verhalten von Gasblasen im Wasser und ihre Auswirkungen auf die Meeresumwelt zu sammeln, nutzten die Forscherinnen und Forscher im ECO2-Projekt außerdem natürliche Kohlendioxid- und Methanquellen im Meeresboden, zum Beispiel in der Nordsee und vor den Liparischen Inseln im Mittelmeer. „Wie schnell löst sich das Gas im Wasser auf? Welche Auswirkungen hat es auf die Meeresumwelt? Wie kann man großflächig den Meeresboden überwachen, um Leckagen bei CO2-Speichern zu erkennen? Das waren die Fragen, mit denen wir uns beschäftigt haben“, berichtet Wallmann.
Sein Fazit aus dem Projekt? „Der Nutzen von CO2-Speicherung unter dem Meer ist deutlich größer als der Schaden“, sagt der Geowissenschaftler. Zwar ergaben die Untersuchungen rund um das Sleipner-Feld, dass der Meeresboden über der Utsira-Formation mehr Störungen aufweist als vorher angenommen. Aber großflächige Untersuchungen dort und an alten Bohrlöchern in der Nordsee ergaben, dass pro einer Million Tonnen Gas, die in den Untergrund gepresst wird, nur etwa zehn Tonnen wieder aus dem Meeresboden entweichen.
Das Gas erreicht dann nicht die Atmosphäre, sondern wird schnell im Wasser gelöst und verteilt. Da das CO2 mit dem Wasser Kohlensäure bildet, senken die Lecks rund um die Austrittsstellen den pH-Wert des Wassers. Das kann Organismen im Meer beeinträchtigen. „Aufgrund der starken Verdünnung im Meerwasser und dem schnellem Wasseraustausch in der Nordsee bleibt dieser Effekt aber auf die unmittelbare Umgebung beschränkt“, sagt Wallmann.
Würden die eine Million Tonnen CO2 stattdessen direkt in die Atmosphäre gelangen, würden aufgrund natürlicher Austauschprozesse zwischen Ozean und Atmosphäre 250.000 bis 300.000 Tonnen Kohlendioxid ins Meer aufgenommen werden. „Der Versauerungseffekt wäre also bis zu 30.000-mal größer als aufgrund der Speicherlecks“, betont Wallmann.
Doch es bleiben Risiken. Gerade der Nordseeboden ist aufgrund der vielen Bohrungen seit den 1970er Jahren stark gestört. „Bei der Wahl eines Speicherorts müssen diese alten Bohrungen natürlich berücksichtigt werden und der Meeresboden muss anschließend überwacht werden. Aber auch hier konnten wir im ECO2-Projekt neue Techniken entwickeln, die eine solche Überwachung möglich machen“, sagt Wallmann.
„Die Abscheidung von CO2 an Kraftwerken und anderen Punktquellen beziehungsweise das direkte Entfernen des Gases aus der Atmosphäre und die anschließende Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund kann die Erwärmung des Planeten alleine nicht aufhalten. Der wesentliche Beitrag muss aus einer drastischen Emissionsreduktion kommen, was aber alleine eben auch nicht mehr ausreichen wird, um die vereinbarten Klimaziele noch zu erreichen. Die Entnahme und Speicherung von CO2 aus Abgasen und aus der Atmosphäre können einen wichtigen Beitrag leisten. Da uns die Zeit davonläuft, dürfen wir diese Optionen zumindest nicht außer Acht lassen“, betont auch Andreas Oschlies.
Tatsächlich gehen andere Länder das Thema aktuell wieder offensiv an. Belgien und die Niederlande verkündeten im Mai, dass die Häfen Rotterdam, Antwerpen und Gent ihre Treibhausgasemissionen verringern wollen, indem sie Kohlendioxid aus der Luft filtern und unterhalb der Nordsee speichern. Es wäre aktuell das größte Projekt dieser Art weltweit.
„Das Problem ist entstanden, weil die Menschheit so viel Kohlenstoff aus der Erde geholt hat, dass er in der Atmosphäre für Probleme sorgt. Eine folgerichtige Idee ist es, den Kohlenstoff wieder dorthin zurückbringen, wo er herkam – in den geologischen Untergrund“, fasst Klaus Wallmann zusammen.
ECO2
war ein von der EU gefördertes Projekt mit einer Laufzeit von 2011 bis 2015. Es zielte darauf ab, mögliche Risiken und Folgen einer CO2-Speicherung im Meeresboden zu untersuchen und zu analysieren. Das GEOMAR war Initiator des Projektes, welches mit rund 10,5 Millionen Euro von der EU unterstützt wurde. 28 interdisziplinäre Partner aus insgesamt acht europäischen Ländern waren an den Forschungen beteiligt.
STEMM-CCS
Auch nach dem Ende des ECO2-Projekts geht die Forschung weiter. STEMM-CCS (Strategies for Environmental Monitoring of Marine Carbon Capture and Storage) ist ein von der EU mit etwa 16 Millionen Euro gefördertes Projekt, das von dem britischen National Oceanography Centre initiiert wurde. Am 1. März 2016 startete das Projekt auf den Grundlagen der Ergebnisse von ECO2 unter anderem mit den Zielen der Entwicklung neuer Instrumente und Techniken für die Umweltüberwachung sowie für die Überwachung, Quantifizierung und Bewertung von CO2-Emissionen. Das Projekt, an dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des GEOMAR beteiligt sind, läuft noch bis 2020. Erst im Mai dieses Jahres unternahmen das Kieler Forschungsschiff POSEIDON und das britische Forschungsschiff JAMES COOK eine gemeinsame Expedition zum britischen Gasfeld Goldeneye, um dort unter kontrollierten Bedingungen das Verhalten und die Ausbreitung von Kohlendioxid zu untersuchen, das aus dem Meeresboden austritt.
Weitere Informationen:
Schwerpunktprogramm1689 der Deutschen Forschungsgemeinschaft
Website des ECO2-Projekts mit Abschlussbericht
Neue Methode zur Überwachung von CO2-Quellen am Meeresboden
Submarine CO2-Speicherung in der Nordsee – Chance oder Risiko?
CO2-Speicherung unterhalb des Meeresbodens? (ESKP)