Die JOIDES Resolution innerhalb der Santorini Caldera. Die vielen rötlichen und weißen Lagen innerhalb der Kliffs im Hintergrund sind Zeugen früherer Eruptionen. Foto: Thomas Ronge, IODP

Blick auf die Bohrplatform (rig floor) der JOIDES RESOLUTION mit dem Bohrgestänge in der Mitte und der Crew welche gerade ein weiteres 9,5 Meter langes Segment des Meeresbodens von der Tief an Bord geholt hat bevor die nächsten 9,5 Meter gebohrt werden können. Schritt für Schritt können so schließlich bis zu 900 m Tiefe im Meeresboden erreicht werden. Foto: Erick Bravo, IODP

Die beiden Fahrtleiter Tim Druitt (Universität Clermont-Auvergne) und Steffen Kutterolf (GEOMAR) zusammen mit Expeditionsleiter Thomas Ronge (IODP, m.) bei der Untersuchung einer zerstörten Bohrkrone, die den extremen Bohrbedingungen nicht standgehalten hat. Foto: Erick Bravo, IODP

Beweise für eine der größten jemals registrierten Eruptionen in der Ägäis

Vulkanfeld rund um Santorini in der Vergangenheit explosiver als angenommen

15.01.2024/Kiel. Eine internationale Expedition mit dem Bohrschiff „JOIDES Resolution“ unter der Co-Leitung von Dr. Steffen Kutterolf vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel hat mithilfe von Bohrkernen und Seismik Beweise für eine der größten je registrierten Eruptionen im südlichen Ägäischen Bogen gefunden. Die Forschenden entdeckten eine bisher unbekannte mächtige Bimssteinablagerung rund um die Insel Santorini. Ihre Ergebnisse enthüllen eine frühere, deutlich explosivere Aktivität des Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfelds als bisher angenommen. Der Artikel erscheint heute in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment.

Die griechische Inselgruppe Santorini besteht aus den Resten eines mächtigen Vulkans. Expeditionsteilnehmer der internationalen IODP-Expedition „Hellenic Arc Volcanic Field“, haben jetzt rund um die Inseln Beweise für eine der größten je registrierten Eruptionen im südlichen Ägäischen Bogen gefunden. In ihrem Artikel in der Fachzeitschrift Communications Earth & Environment, der heute erscheint, beschreiben sie eine neu entdeckte riesige Bimssteinablagerung, die am Meeresboden an sieben küstennahen Standorten rund um die Insel Santorini beprobt wurde. Sie zeigt, dass das Christiana-Santorini-Kolumbo-Vulkanfeld in der fernen Vergangenheit viel explosiver war als bisher bekannt.

Das Vulkanfeld in der griechischen Ägäis besteht aus einer 60 Kilometer langen Kette von mehr als 20 Vulkanen, die zum größten Teil unter Wasser liegen. Es gilt als besonders gefährlich, weil die Vulkane dort in der Vergangenheit zahlreiche, zum Teil hochexplosive Ausbrüche verursacht haben. „Die spätbronzezeitliche Eruption von Santorini beispielsweise vor rund 3.600 Jahren hat vermutlich den Untergang der minoischen Zivilisation auf Kreta eingeleitet – ein wichtiges Ereignis sowohl für die Vulkanologie als auch für die Archäologie“, sagt Privatdozent Dr. Steffen Kutterolf, Vulkanologe am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Er hatte gemeinsam mit Dr. Timothy Druitt von der Université Clermont-Auvergne die Fahrtleitung bei der Expedition nach Santorini. Rund um die Insel hat das internationale Team von Wissenschaftler:innen dabei eine neue Ablagerung entdeckt, die auf eine noch viel größere unterseeische Eruption vor etwa 520.000 Jahren hinweist.

Dr. Kutterolf: „Die neu entdeckte Tuffstein-Ablagerung hat ein Volumen von mehr als 90 Kubikkilometern und eine Mächtigkeit von bis zu 150 Metern. Damit ist sie sechsmal größer als die Ablagerungen der pyroklastischen Ströme der Minoischen Eruption und zehnmal größer als die des Vulkanausbruchs Hunga Tonga-Hunga Ha'apai vom 22. Januar 2022.“ Pyroklastische Ströme sind Ströme aus heißer Asche, Gestein und Gas, die im Falle des neu kartierten Santorini-Ereignisses an einem zu der Zeit untermeerischen Vulkan entstanden sind und sich mit dem Wasser in trübe Ströme und Schlamm verwandelten. Diese Ströme transportierten große Mengen von vulkanischem Material bis zu 70 Kilometer weit in die umliegenden Meeresbecken. Auch auf drei umliegenden Inseln konnten Schichten von Gestein nachgewiesen werden, die auf diese Eruption zurückgehen.

Um die Eruption zu entschlüsseln, wurde eine Vielzahl von Methoden mit einbezogen. Kutterolf: „Eine erste Datierung und die Abschätzung der Wassertiefe, in der die Eruption stattgefunden hat, war dank der Mikropaläontologie schon direkt an Bord möglich.“ Mikrofossilien (Foraminiferen), deren erdgeschichtliches Alter und bevorzugte Wassertiefen bekannt sind und die direkt oberhalb oder unterhalb der Bimssteinablagerungen gefunden wurden, lieferten diese Informationen. Auch physikalische Parameter wie die Dichte und die Porosität wurden direkt an Bord bestimmt. Die Elektronen-Mikrosonde des GEOMAR, ein spezielles Raster-Elektronen-Mikroskop, wurde dann für die Untersuchung der erbohrten Proben auf ihre chemische Zusammensetzung hin eingesetzt. „Dabei wird die Probe mit einem Elektronenstrahl von 0,01 Millimeter Durchmesser beschossen. Das liefert Informationen darüber, wieviel an chemischen Elementen wie zum Beispiel Silizium, Eisen oder Magnesium in dem abgeschreckten Magma steckt.“ Damit ließen sich die Ablagerungen ganz genau mit den Lokalitäten am Meeresboden verbinden, was wiederum dabei half, ihre Ausbreitung und Dicke und letztendlich die Größe der Eruption mit Hilfe von seismischen Abbildern des Meeresbodens zu bestimmen.

Trotz dieser explosiven Vorgeschichte ist es sehr unwahrscheinlich, dass das Vulkanfeld in naher Zukunft erneut eine so große Eruption erleben wird, sind sich die Forschenden einig. „Die Vorgeschichte zu kennen ist aber auch für Vorhersagen der Zukunft ein unentbehrlicher Baustein“, sagt Dr. Kutterolf.

Hintergrund: IODP

Die Expedition 398 „Hellenic Arc Volcanic Field“ mit dem Forschungsschiff JOIDES Resolution fand im Rahmen des Integrated Ocean Discovery Programs (IODP) von Dezember 2022 bis Februar 2023 statt. Das IODP ist ein auf mehrere Jahrzehnte angelegtes, von 22 Nationen getragenes internationales Forschungsprogramm mit dem Ziel, die Geschichte und Struktur der Erde zu erforschen und die in Sedimenten und Gesteinen gespeicherte Erdgeschichte und -struktur zu verstehen.

Publikation:

Druitt, T., Kutterolf, S., Ronge, T. A. et al. (2024) Giant offshore pumice deposit records a shallow submarine explosive eruption of ancestral Santorini. Nature Communications Earth&Environment. https://doi.org/10.1038/s43247-023-01171-z

Ein Schiff in der Abendsonne vor einer Küste

Die JOIDES Resolution innerhalb der Santorini Caldera. Die vielen rötlichen und weißen Lagen innerhalb der Kliffs im Hintergrund sind Zeugen früherer Eruptionen. Foto: Thomas Ronge, IODP

Bohraktivitäten an Bord eines Spezialschiffes

Blick auf die Bohrplatform (rig floor) der JOIDES RESOLUTION mit dem Bohrgestänge in der Mitte und der Crew welche gerade ein weiteres 9,5 Meter langes Segment des Meeresbodens von der Tief an Bord geholt hat bevor die nächsten 9,5 Meter gebohrt werden können. Schritt für Schritt können so schließlich bis zu 900 m Tiefe im Meeresboden erreicht werden. Foto: Erick Bravo, IODP

Drei Männer mit einem Stück Rohr

Die beiden Fahrtleiter Tim Druitt (Universität Clermont-Auvergne) und Steffen Kutterolf (GEOMAR) zusammen mit Expeditionsleiter Thomas Ronge (IODP, m.) bei der Untersuchung einer zerstörten Bohrkrone, die den extremen Bohrbedingungen nicht standgehalten hat. Foto: Erick Bravo, IODP

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