Der GAME-Jahrgang 2024: In dem globalen Forschungsprojekt reisen gemischtnationale Tandems von Kiel aus in die Welt, um synchron an verschiedenen Orten das gleiche Experiment durchzuführen. Foto: Mark Lenz, GEOMAR

Forschungsarbeit in Wales: Barbara Furtado sammelt Sägetang (Fucus serratus) für das Experiment. Foto: Camille Rau

Algensammlung in Kroatien: Catarina Rente mit einem Beutel voll Trichteralgen (Padina pavonica). Foto: Barbara Jakovljevic

Wie reagieren die Makroalgen auf künstliches Licht? Catarina Rente in Kroatien bei Sauerstoffmessungen. Foto: Barbara Jakovljevic

Der Versuchsaufbau wird von den Studierenden zu Beginn des Jahres gemeinsam entwickelt und dann an verschiedenen Orten auf der Welt umgesetzt wie hier von Stephanie Saveedra in Finnland. Foto: Kristin Wikström

Lichtverschmutzung: unterschätzte Umweltbelastung auch im Meer

Globales Experiment von Studierenden zu Makroalgen und Kunstlicht

18.12.2024/Kiel. Wie beeinflusst nächtliche Beleuchtung das Wachstum, die Photosyntheseleistung und die Verteidigungsfähigkeit von Makroalgen? Diese Fragestellung haben 16 Studierende gleichzeitig an acht Standorten auf der ganzen Welt untersucht. Die Teilnehmer:innen des diesjährigen GAME-Projekts am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel präsentieren ihre Ergebnisse zum Abschluss an mehreren norddeutschen Hochschulen. Ihre Forschung belegt, dass Lichtverschmutzung auch in marinen Ökosystemen eine unterschätzte Umweltbelastung darstellt.

16 Studierende, acht Länder und die Frage, wie Kunstlicht das Wachstum von Algen beeinflusst – das war das GAME-Projekt 2024. GAME, der „Globale Ansatz durch Modulare Experimente“ (Global Approach by Modular Experiment), bietet deutschen und internationalen Studierenden die Möglichkeit, ein Jahr lang gemeinsam an experimentellen Fragestellungen zu arbeiten und darüber eine Abschlussarbeit zu schreiben. Das weltweit einzigartige Forschungs- und Ausbildungsprogramm für Studierende der Meereswissenschaften wird seit 21 Jahren am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel angeboten. In diesem Jahr wurde es von der Klaus-Tschira-Stiftung gefördert.

Die Forschungsfrage 2024: Makroalgen unter Kunstlicht

Die Fragestellung für den Jahrgang 2024 lautete: „Wie beeinflusst künstliches Licht bei Nacht das Wachstum, die Photosynthese-Leistung und die Verteidigungsfähigkeit von Makroalgen?“ Projektleiter Dr. Mark Lenz, Meeresökologe am GEOMAR, erläutert die wissenschaftliche Bedeutung: „Künstliches Licht als Form der Umweltverschmutzung wird im marinen Bereich zunehmend anerkannt. Mit GAME können wir durch den global vergleichenden Ansatz Erkenntnisse gewinnen, die sonst kaum möglich wären.“ 

Insgesamt 14 Algenarten wurden jeweils drei Wochen lang nächtlichem Kunstlicht (Artificial Light at Night, ALAN) mit einer Intensität von 30 Lux ausgesetzt. Dabei kamen zwei Lichtfarben – weiß und gelb – zum Einsatz.

Gemessen wurde:

  • Die Biomasseänderung: Sieben der 14 Arten zeigten deutliche Reaktionen auf das nächtliche Kunstlicht. Diese Effekte waren standort- und artspezifisch: An einigen Standorten führte das Licht zu einem erhöhten Wachstum, an anderen hingegen zu einer Reduktion der Biomasse.
  • Attraktivität für Fraßfeinde: In anschließenden Fraßversuchen wurde untersucht, wie stark die Algen von Weidegängern wie Seeigeln, Schnecken oder Asseln befressen wurden. Bei zwei der 14 Arten erhöhte nächtliches Kunstlicht die Attraktivität für Fraßfeinde.

Globales Experiment: Von Kiel aus in die Welt

Im Frühjahr hatten sich die Teilnehmenden erstmals in Kiel getroffen, um während einer intensiven Workshopzeit den einheitlichen Versuchsaufbau für ihre Forschungsfrage zu entwickeln. In Tandems von je einem deutschen Teammitglied und einem von einem der internationalen Partnerinstitute  ging es dann ab April an die verschiedenen Forschungsstandorte auf der ganzen Welt: nach Japan, Malaysia, auf die Kapverden, nach Wales, Finnland, Kroatien, Spanien und Madeira (Portugal). Nach sechs Monaten Feldforschung wurden die Ergebnisse seit Oktober in Kiel zusammengetragen und ausgewertet. 

Mark Lenz: „Die Ergebnisse zeigen, dass Lichtverschmutzung je nach Art und Standort sowohl positive als auch negative Effekte haben kann. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die Effektstärken teilweise so groß waren, dass sie die Bestandsentwicklung von Makroalgen beeinflussen könnten.“

Warum die Ergebnisse wichtig sind

Makroalgen sind entscheidend für die Stabilität und Funktionalität von Küstenökosystemen. Die Ergebnisse des GAME-Projekts belegen, dass Lichtverschmutzung an Küsten Einfluss auf diese wichtigen Lebensräume hat.

„Diese Effekte wurden bislang nur selten untersucht“, sagt Lenz. „Unsere Studie ergänzt die einzige, erst kürzlich veröffentlichte Arbeit, die sich mit zwei Algenarten beschäftigte. Unsere Erkenntnisse unterstreichen, dass wir Lichtverschmutzung als Umweltfaktor in Küstenökosystemen stärker zu berücksichtigen müssen.“

 

Vorträge zu den Ergebnissen an norddeutschen Hochschulen:

  • 18.12. (Universität Oldenburg): 10:00 Uhr, Campus Wechloy, Gebäude W15, Carl-von-Ossietzky-Straße 9-11, Raum W01-015
  • 18.12. (Universität Bremen): 15:15 Uhr, Naturwissenschaften 2, Raum C300, Universität Zentralbereich
  • 15.01. (Universität Hamburg): 11:15 Uhr, Kowwigsaal, Biozentrum Grindel, Martin-Luther-King-Platz 3

 

Hintergrund: GAME

GAME ist ein internationales Forschungs- und Ausbildungsprogramm für junge Meereswissenschaftler:innen und steht für „Globaler Ansatz durch Modulare Experimente“. Zu einer ökologischen Fragestellung werden im Rahmen von themengebundenen Forschungsprojekten zeitgleich identische Experimente an verschiedenen Standorten auf der ganzen Welt durchgeführt. Dieser Ansatz liefert global vergleichbare Ergebnisse über biogeographische Räume und Ökosystemgrenzen hinweg.

Jedes Jahr können bis zu 20 Studierende betreut werden, die Experimente in binationalen Teams an jährlich bis zu zehn Standorten auf der Welt durchführen. Die Vor- und Nachbereitung jedes Projektes findet gemeinsam mit allen Teilnehmenden am GEOMAR in Kiel statt.

Der nächste GAME-Jahrgang 2025 wird sich mit dem Einfluss von nächtlichem Kunstlicht auf Epiphyten beschäftigen, also Aufsitzerpflanzen, die auf Makroalgen wachsen. Bewerbungen sind noch bis zum 31. Januar möglich. 

Eine Gruppe von 16 jungen Leuten, davon zwei Männer, lächeln in die Kamera

Der GAME-Jahrgang 2024: In dem globalen Forschungsprojekt reisen gemischtnationale Tandems von Kiel aus in die Welt, um synchron an verschiedenen Orten das gleiche Experiment durchzuführen. Foto: Mark Lenz, GEOMAR

Eine junge Frau steht im Wasser eines Flusses und hält ein großes Büschel Algen in der Hand

Forschungsarbeit in Wales: Barbara Furtado sammelt Sägetang (Fucus serratus) für das Experiment. Foto: Camille Rau

Eine junge Frau in Schnorchelausrüstung hält einen durchsichtigen Beutel mit Muscheln und Sand in die Kamera

Algensammlung in Kroatien: Catarina Rente mit einem Beutel voll Trichteralgen (Padina pavonica). Foto: Barbara Jakovljevic

Eine Frau in einem weißen Laborkittel arbeitet an einer Probe im Labor

Wie reagieren die Makroalgen auf künstliches Licht? Catarina Rente in Kroatien bei Sauerstoffmessungen. Foto: Barbara Jakovljevic

Eine junge Frau beugt sich über eine gelblich beleuchtete Truhe mit Eimern, in denen Wasserpflanzen wachsen

Der Versuchsaufbau wird von den Studierenden zu Beginn des Jahres gemeinsam entwickelt und dann an verschiedenen Orten auf der Welt umgesetzt wie hier von Stephanie Saveedra in Finnland. Foto: Kristin Wikström

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