Der Golfstrom ist Teil der atlantischen Umwälzzirkulation, die weltweit den größten ozeanischen Beitrag für die Wärmeversorgung der Nordhalbkugel leistet. Laut Klimaprognosen wird sich dieses Wärmeförderband bis zum Ende des 21. Jahrhunderts substantiell abschwächen. Erst in den letzten Jahren ist es uns durch den Einsatz neuartiger, verankerter Messsysteme gelungen, die Stärke und Veränderlichkeit dieses Wärmeförderbandes kontinuierlich zu erfassen.
Die ozeanische Zirkulation nahe der Meeresoberfläche wird durch das Zusammenspiel der großräumigen Windsysteme wie zum Beispiel den Westwinden der mittleren Breiten und tropischen Passaten angetrieben. Im Atlantik gibt es zusätzlich eine Zirkulation, die Strömungen nahe der Meeresoberfläche und im tiefen Ozean miteinander verbindet. Hierbei fließt warmes Wasser aus dem Südatlantik kommend über den Äquator hinweg, und wird über den Golfstrom und Nordatlantischen Strom in den subpolaren Nordatlantik befördert. Sobald es die Tropen verlassen hat, kühlt sich das Wasser zusehends ab und erwärmt somit die darüber liegenden Luftschichten. Im europäischen Nordmeer und in der Labradorsee kommt es zum Absinken dieses Wassers, welches von dort aus in mehr als 1000 m Tiefe wieder nach Süden befördert wird (Nordatlantik). Diese sogenannte meridionale Umwälzzirkulation ist von elementarer Bedeutung für das Klima im nordatlantischen Raum, da sie im gesamten Bereich des Atlantiks Wärme von Süden nach Norden befördert. Der maximale Wärmetransport beträgt dabei 1200000 Gigawatt. Zum Vergleich: Die typische elektrische Leistung eines Atomkraftwerks beträgt 1 Gigawatt. Die Umwälzzirkulation wird dadurch geschlossen, dass das kalte Tiefenwasser nach und nach wieder aufsteigt, sowohl am Ausgang des Südatlantiks im antarktischen Zirkumpolarstrom als auch im indischen und pazifischen Ozean.
Neben ihrer Bedeutung für die Beförderung von Wärme spielt die Umwälzzirkulation eine zentrale für die ozeanische Speicherung von Kohlendioxid aus der Atmosphäre, das sich im kalten Wasser der hohen Breiten bevorzugt löst, und durch das Absinken in die Tiefsee abgeführt wird. Vor dem Hintergrund der anthropogenen Erwärmung wird aufgrund von Computersimulationen der Auswirkungen von zunehmenden Mengen an Treibhausgasen in der Atmosphäre in unterschiedlichen Klimamodellen davon ausgegangen, dass sich die Umwälzzirkulation bis zum Ende dieses Jahrhunderts um etwa 30% abgeschwächt haben wird. Dies ist darauf zurückzuführen, dass Absinken von Wasser in hohen Breiten erschwert werden wird, da sich das oberflächennahe Wasser zunehmend erwärmen und sein Salzgehalt aufgrund von erhöhten Süßwassereinträgen durch Niederschläge und Eisschmelze verringern dürfte. Eine Abschwächung der Zirkulation dieser Art hätte eine Verringerung sowohl in der Beförderung von Wärme als auch in der Aufnahme von Treibhausgasen zur Folge.
Bis vor einigen Jahren stellten schiffsgestützte Messungen von Ozeanströmungen die einzige Möglichkeit zur Bestimmung der Stärke der Umwälzzirkulation dar. Da diese Messungen äußerst ressourcenintensiv sind, liegen nur wenige Schnappschüsse der Zirkulation vor. Heute weiß man, dass die Umwälzzirkulation ausgeprägten natürlichen Schwankungen von Monat zu Monat unterworfen ist, so dass sich aus den sporadischen historischen Messungen schwerlich Abschätzungen bezüglich vermeintlicher langfristiger Änderungen gewinnen lassen. Neue technische und wissenschaftliche Entwicklungen erlauben es jedoch seit Beginn dieses Jahrhunderts, die Stärke der Umwälzzirkulation mittels verankerter Messinstrumente kontinuierlich zu erfassen, und die zeitlichen Veränderungen von Monat zu Monat, Jahr zu Jahr und auch über längere Zeiträume zu erkunden. Neben dem vom GEOMAR betreuten Messsystem zur Erfassung des südwärtigen Stroms von Tiefenwasser (Nordatlantik) im subpolaren Nordatlantik sind Kieler Wissenschaftler an der Analyse von Daten beteiligt, die mittels zweier unter der Federführung britischer und amerikanischen Kollegen betriebener Messsystemen zur kontinuierlichen Erfassung der Stärke der Umwälzzirkulation im subtropischen bzw. tropischen Atlantik seit 2004 bzw. 2000 gewonnen werden.
Ansprechpartner:
Johannes Karstensen