Physikalische Ozeanographie

Tropischer Atlantik

Die Klimaforschung im tropischen Atlantik versucht Antworten zu finden auf verschiedene drängende Fragen von großer gesellschaftlicher, ökonomischer und ökologischer Relevanz. Was sind die dominanten Klimaschwankungen der Tropen, welche Mechanismen treiben sie an und welche Prozesse sind verantwortlich? Ist eine Vorhersage möglich und welche Prozesse müssen dafür in den Vorhersagemodellen korrekt wiedergegeben oder parametrisiert werden? Welche Auswirkungen haben Klimaschwankungen auf Biogeochemie und Lebewesen im Ozean? Neben diesen Fragen, die auch bei rein natürlichen Klimaschwankungen von großem Interesse sind, stellen sich gerade in den Tropen die Fragen nach den lokalen Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels: Welche lokalen Auswirkungen haben globale Erwärmung und Ozeanversauerung auf Klimavariabilität, Biogeochemie und natürliche Ressourcen im Ozean? Welche Wechselwirkungen zwischen Klimaänderung und Biogeochemie müssen bei der Analyse künftiger Klimaszenarien berücksichtigt werden? Die Physik der Ozeane spielt bei all diesen Fragen eine zentrale Rolle. Sie umfasst Prozesse auf allen Raum- und Zeitskalen, von den ozeanweiten wind- und dichtegetriebene Strömungen über planetare Wellen bis hin zur kleinräumigen Vermischung durch interne Wellen und Turbulenzen. Sie schließt den Austausch von Wärme, Frischwasser und Impuls zwischen Ozean und Atmosphäre mit ein. Zu den Forschungsschwerpunkten der Physikalischen Ozeanographie am GEOMAR | Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel im tropischen Atlantik zählen dabei insbesondere tropische Zirkulationsschwankungen, Ursachen von Oberflächentemperaturschwankungen oder die Sauerstoffversorgung der sauerstoffarmen Gebiete.

Das dominante Klimaphänomen im Atlantik ist eine Nordsüdbewegung des tropischen Regenbandes, das sich im Mittel vom äquatorialen Südamerika über den Atlantik bis zum südlichen Teil Westafrikas erstreckt. Dieses Regenband, das aufgrund des Zusammentreffens von Nordost- und Südostpassat auch Intertropische Konvergenzzone genannt wird, bewegt sich mit der Sonne im nordhemisphärischen Frühsommer nach Norden, erreicht seine nördlichste Position im August, um sich danach wieder mit der Sonne nach Süden zu bewegen. Dabei werden die Regengebiete nicht nur über dem Ozean verschoben, sondern insbesondere auch über Kontinentalafrika. Hier sprechen wir vom Afrikanischen Monsun. Er ist gekennzeichnet durch eine zweimalige Richtungsumkehr der Winde im Jahresgang und führt zur Entstehung von Regen- und Trockenzeiten. Trotz der Dominanz des Jahresganges im Atlantik treten im Afrika südlich der Sahara (Subsahara) starke mehrjährige bis multidekadische Klimaschwankungen auf mit großen Auswirkungen auf Wasserversorgung, Landwirtschaft, Tropenkrankheiten oder auch die Infrastruktur der betroffenen Länder.
 

Während langfristige, dekadische bis multidekadische Schwankungen mit dem generellen Temperaturunterschied zwischen Nord- und Südatlantik, zum Beispiel aufgrund einer sich ändernden thermohalinen Zirkulation, in Verbindung gebracht werden, hängen Schwankungen von Jahr zu Jahr eher mit der Oberflächentemperatur der angrenzenden Meere zusammen. Eine Vorhersage von Niederschlägen der nächsten Regenzeit, ihr Beginn und ihre Stärke, oder der nächsten Jahre mit dem damit verbundenen gewaltigen Nutzen für die dort lebende Bevölkerung wäre – bei entsprechender Vorhersage der Meeresoberflächentemperatur – daher grundsätzlich möglich. Die für die Veränderung der Oberflächentemperatur verantwortlichen Prozesse in der Atmosphäre und im Ozean sind allerdings bei weitem noch nicht so gut verstanden, dass sie in Modellen korrekt implementiert werden können und damit eine Vorhersage des Afrikanischen Monsuns ermöglichen. Und es werden immer wieder gänzlich neue Prozesse mit ihren Auswirkungen auf das Klima entdeckt. Ein Beispiel sind die äquatorialen Deep Jets, die, wie wir mit unseren Verankerungsdaten zeigen konnten, zur Oberfläche propagieren und einen 4,5-Jahres-Zyklus der Oberflächentemperatur auslösen (Brandt et al. 2011). Ihre Berücksichtigung in Klimamodellen kann möglicherweise Vorhersagen künftig zuverlässiger machen. 

Neben seiner Rolle für das Klima, ist der Ozean auch eine wesentliche Nahrungsquelle für die Bevölkerung in Küstenstaaten. Die Auftriebsgebiete vor Westafrika zählen dabei zu den produktivsten und fischreichsten Gebieten im Weltozean. Das Zusammenspiel von Wind und Erdrotation führt dazu, dass der küstenparallele Nordostpassat vor Westafrika das Wasser an der Oberfläche nach Westen, von der Küste weg treibt. Das an der Schelfkante von unten nachströmende Wasser versorgt dann die Planktonblüte mit Nährstoffen und ermöglicht den Aufbau der gesamten Nahrungskette vom Phytoplankton bis hin zu den großen Jägern der tropischen Ozeane, wie zum Beispiel Thunfisch und Schwertfisch. Die hohe Produktion in den Auftriebsgebieten hat im Zusammenspiel mit der generell nur schwachen Zirkulation in den östlichen tropischen Ozeanen aber auch gravierende Auswirkungen auf den Sauerstoffgehalt im Meer. Durch verstärkte Sauerstoffzehrung beim Abbau sinkenden biologischen Materials und gleichzeitig geringer Sauerstoffversorgung durch Strömungen und Vermischung entstehen unterhalb der Deckschicht ausgedehnte Sauerstoffminimumzonen in den östlichen tropischen Ozeanen. Da ein Großteil der Sauerstoffversorgung durch ostwärtige Strömungen vom westlichen Rand erfolgt, spielt hier der Pazifik die Extremrolle mit ausgedehnten sauerstofffreien Gebieten. Die Sauerstoffversorgungspfade im Atlantik sind dagegen deutlich kürzer und damit effektiver; die Sauerstoffsättigung sinkt hier kaum unter 10 Prozent. Es gibt also keine sauerstofffreien Regionen. In den letzten Jahren konnte allerdings eine Ausdehnung dieser Sauerstoffminimumzonen der tropischen Ozeane weltweit nachgewiesen werden (Stramma et al. 2008). Dabei sinken die absoluten Sauerstoffkonzentrationen, und die Grenzen der Sauerstoffminimumzonen verschieben sich und vergrößern somit das Volumen von sauerstoffarmem Wasser im Ozean. Für sauerstoffliebende Lebewesen im oberflächennahen Ozean bedeutet diese Ausdehnung eine Verkleinerung ihres Lebensraums; in Schelfgebieten kann sie zur Entstehung oder Ausdehnung von Todeszonen am Meeresboden führen. Die Gründe für diese Veränderung sind weitestgehend unbekannt: globale Erwärmung mit ihrer Auswirkung auf Schichtung und Sauerstofflöslichkeit im Ozean, Ozeanversauerung durch einen erhöhter CO2-Gehalt im Ozean oder auch Zirkulationsschwankungen könnten hier eine wesentliche Rolle spielen. 
  
  
Literatur 
L. Stramma (2008): Expanding oxygen-minimum zones in the tropical oceans. Science, 320, 655–658. 

P. Brandt et al. (2011): Interannual atmospheric variability forced by the deep equatorial Atlantic Ocean. Nature, 473, 497-500.
  
  
Kontakt
Prof. Dr. Peter Brandt
Dr. Lothar Stramma
Dr. Marcus Dengler