Hochdrucklabore und Geotechnik

Ziele und Anwendungen

Unsere Hochdrucklabore und -systeme werden genutzt, um biogeochemische, geomechanische und geotechnische Prozesse in Tiefseesedimenten zu simulieren und zu untersuchen. Für diese Aufgabe können in den unterschiedlichen Versuchsaufbauten hohe Drücke (bis 400 bar) und dynamische Fluidströmungen eingestellt werden, so dass die Experimente unter realistischen Durchflussbedingungen durchgeführt werden können. Darüber hinaus können mechanische Lasten in den Experimenten eingestellt werden, um Festigkeit und Verformung von Meeressedimenten unter Berücksichtigung von komplexen thermo-hydro-chemo-mechanischen (THCM) Prozesskopplungen zu untersuchen. Die Überwachung der Untersuchungen erfolgt mit unterschiedlichen Online-Messverfahren (z.B. Raman- und Infrarot-Sensoren, lokale Verformungs- und Dehnungsmessungen, in situ Druck-Temperatur Sensorik) sowie hochauflösenden tomographischen Messverfahren (z.B. Röntgen-CT, ERT).

Die Versuchsaufbauten werden für vielfältige Fragestellungen genutzt:   

* Untersuchung der Mechanismen und Auswirkungen der Bildung, Zersetzung und Umwandlung von Gashydraten in Sedimenten

* Analyse von Mehrphasen-Strömungen in Sedimenten und Gesteinsformationen, um Fluidmigration an natürlichen Gasquellen und infolge von technischen Leckagen zu charakterisieren

* Untersuchung von geotechnischen Risiken im Zusammenhang mit Sediment-Destabilisierung und Hangrutschungen, sowie Entwicklung von technischen Verfahren zur Sedimentstabilisierung  

* Simulation von Transport-Reaktions-Prozessen im Zusammenhang mit potentiellen Speicherszenarien (z.B. CO2-Fluid-Sediment-Wechselwirkungen und Verwitterungs-Prozesse)   und Tiefseebergbau

* Analyse von mikrobiellen Prozessen in marinen Sedimenten (z.B. AOM und Kohlenwasserstoffabbau, mikrobielle Eisen- und Manganreduktion, Sulfatreduktion und Methanogenese). 

Versuchsanlagen und Laborausstattung

SYNCHRO-CT / Geotechnische Prüfanlage mit Röntgen-CT

Gemeinsam mit der Firma APS GmbH Wille Geotechnik betreibt GEOMAR eine neuartige Triaxialprüfanlage mit Röntgen-CT, die für Hochdruck-Durchfluss-Versuche mit zylindrischen Proben mit einer maximalen Höhe von 40 cm und einem maximalen Durchmesser von 15 cm konzipiert ist. Die Proben werden in röntgen-transparenten Druckbehältern mit unterschiedlichen Größen in einen 1000 kN Lastrahmen eingebaut und analysiert. In den Versuchen können derzeit Porendrücke bis 250 bar aufgebracht werden. Im Versuchsverlauf wird der μ-CT Scanner (150 kV Röntgenquelle und hochauflösender Flachbilddetektor) um die statische Probe in einem Winkel bis zu 380° rotiert. Das System ermöglicht je nach Druckbehältergröße eine maximale Auflösung von 15 µm. Durch Bild-Rekonstruktion und -Segmentierung  können heterogene Phasenverteilungen und lokale Prozesse visualiert, sowie die Enstehung und Ausbreitung von mechanischen Störungen analysiert werden.

NESSI (Natural Environment Simulator for Sub-seafloor Interactions) / Flexible Hochdruck-Durchfluss-Anlagen für thermo-hydro-chemo-mechanische (THCM) Untersuchungen

Die Hochdruck-Durchfluss-Anlage NESSI ermöglichen die Untersuchung von Prozessen unter ähnlichen Bedingungen, wie sie in natürlichen marinen Sedimenten vorherrschen. Die Anlage ist für erhöhte Drücke (bis 350 bar) ausgelegt. Über flexible Mischbehälter lassen sich Fluide mit definierter Zusammensetzung herstellen und mittels Hochdruckpumpen durch die temperierten Druckbehälter mit den jeweiligen Probeneinbauten pumpen. Druck, Temperatur und Zusammensetzung der Fluide lassen sich in den Zu- und Ableitungen des Reaktors mittels Sensoren online (z.B. Raman- und Infrarot-Sensoren) oder durch Probenahme bestimmen. Dies ermöglicht die Massen- und Volumenbilanzierung der im Reaktor ablaufenden chemischen und physikalischen Prozesse. Das NESSI System wird mit unterschiedlichen Druckbehälter-Typen (1L bis 50L; Edelstahl, Titan oder GFK) und in verschiedenen Konfigurationen betrieben, die speziell für relevante Fragestellungen adaptiert werden. Zu diesen System-Konfigurationen gehören u.a. die nachfolgenden NESSI-TRIAX, NESSI-ERT und NESSI-FLOW.  

NESSI-TRIAX

NESSI-TRIAX ist eine robuster Versuchsaufbau, um Hochdruck-Durchfluss-Versuche unter definierten mechanischen Lasten durchzuführen. Der Aufbau ist für Proben mit einem Durchmesser von 8 cm und einer maximalen Höhe von 40 cm ausgelegt, standardmäßig werden Proben mit einer Höhe von 16 cm untersucht. Der Probenaufbau erfolgt in einem 40 L Druckbehälter, so dass auch eine Anpassung für andere Probendimensionen vorgenommen werden kann. Die Temperierung der Probe wird durch einen Wärmetauscher im Druckbehälter erreicht. Die Aufbringung der axialen Lasten erfolgt über einen hydraulisch angetriebenen Stempel, der im Druckbehälter montiert ist, in Kombination mit Zugstangen. Die Fluide werden über Filterplatten zu- und abgeführt. Fluidzugabe, Porendruck-Regelung und hydraulische Lastregelung erfolgt durch präzise Hochdruck-Kolbenpumpen. Die Verformung wird über lokale Dehnungsmessgeräte an der Probe, sowie durch die Bilanzierung von kalibrierten Volumenänderungen im Druckbehälter bzw. in den Porendruck-Pumpen ermittelt.  

Die NESSI-TRIAX Konfiguration ist aufgrund des robusten Aufbaus und der Messausrüstung hervorragend geeignet, um Versuchsreihen mit sensiblen Sedimenten unter komplizierten Randbedingungen reproduzierbar durchzuführen. NESSI-TRIAX wird häufig für Eingangsuntersuchungen eingesetzt, um nachfolgende kompliziertere Untersuchungen mit NESSI-ERT oder SYNCHRO-CT vorzubereiten.

NESSI-ERT

NESSI-ERT ist eine flexible Hochdruck-Triaxial-Konfiguration, in der auch große Sedimentproben (maximaler Durchmesser 15 cm, maximale Höhe 40 cm) untersucht werden können. Um den Einbau der großen Proben und unterschiedlicher Sensorsysteme zu ermöglichen, wird im NESSI-ERT Aufbau die Probentemperierung mittels eines Hochdruck-Umlaufkühlers erreicht, der eine Kühlflüssigkeit kontinuierlich umwälzt. Ähnlich wie bei NESSI-TRIAX erfolgt die Lastbeaufschlagung durch einen hydraulisch angetriebenen Laststempel in Kombination mit einem Lastrahmen, der im Druckbehälter montiert ist. Der Lastrahmen dient ebenfalls zur Positionierung von 24 magnet-induktiven Verformungssensoren, die eine Analyse des lokalen Dehnungsverhaltens der Probe ermöglichen. NESSI-ERT ist mit einer hochauflösenden ERT (elektrische Widerstands-Tomographie, 96 Elektroden in 8 Ebenen) ausgerüstet, mit der Phasenverteilungen aufgrund der jeweiligen elektrischen Leitfähigkeiten ermittelt und visualisiert werden können. NESSI-ERT kann zusätzlich mit einer zentralen Lanze und radialen Fluid-Ports ausgerüstet werden, um komplizierte Strömungsszenarien zu simulieren und die Mobilisierung von Sedimentpartikeln zu analysieren. Die mobilisierten Sedimentpartikel werden in einem Sandfang unterhalb des Druckbehälters aufgefangen. Die NESSI-ERT Konfiguration ist aufgrund des flexiblen Aufbaus und der vielfältigen Messsysteme besonders geeignet, um heterogene Phasenverteilungen, fokussierte Strömungsszenarien und die mechanischen Auswirkungen von dynamischen biogeochemischen Prozessen zu analysieren.

NESSI-FLOW

In der NESSI-FLOW Konfiguration wird ein Druckbehälter (maximaler Betriebsdruck 350 bar) eingesetzt, der in einem Stativ in unterschiedlichen Winkeleinstellungen ausgerichtet und betrieben werden kann. Die Temperierung erfolgt über einen externen Kühlmantel in Kombination mit einem leistungsfähigen Umlaufkühler. Der Behälter hat eine Gesamtlänge von 2 m, so dass insbesondere der Einfluss von Durchströmung auf verschiedene Sedimenteigenschaften untersucht werden kann. Durch spezielle Einbauten im Zu- und Ablaufbereich können definierte axiale Lasten auf die Probe aufgebracht werden. Die Einbauten sind so konzipiert, dass auch eine strömungsinduzierte Mobilisieung der Sedimentpartikeln untersucht werden kann, wobei mobilisierte Sedimentpartikel in externen Sandfang-Behältern abgeschieden werden.