Das Forschungsprojekt SO193 Manihiki

Auf dieser Seite finden Sie Hintergrundinformationen zu folgenden Themen:
Plattentektonik und Manteldynamik
Methodik und spezifische Ziele der geochemischen Untersuchungen und Altersdatierungen an magmatischen Gesteinen im Rahmen von SO193 MANIHIKI
Evolution und Biogeographie der bodenlebenden Tiefseefauna im Bereich des Manihiki Plateaus
Weiterführende Literatur zur Geologie
Weiterführende Literatur zur Biologie

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PLATTENTEKTONIK UND MANTELDYNAMIK

Die Erde ist schalenförmig aufgebaut und besteht aus dem Erdkern, der von dem 2.900 km mächtigen Erdmantel und der nur 5–70 km mächtigen Erdkruste umgeben ist. Lithosphärische Platten, die bis zu 300 km mächtig sind und aus ozeanischer oder kontinentaler Kruste und damit verbundenem Mantelmaterial bestehen, bewegen sich über dem Mantel ("Kontinentaldrift") und besitzen divergierende oder konvergierende Ränder. Divergierende Plattenränder sind beispielsweise mittelozeanische Rücken (oder Spreizungszentren) wie z.B. der mittelatlantische Rücken. Hier steigt heißes Mantelmaterial auf und beginnt in flachen Tiefen zu schmelzen. Dieses geschmolzene Materials gelangt durch Vulkanausbrüche auf die Platten oder dringt in die Kruste ein. Dies hat zur Folge, dass die Platten an den Spreizungszentren durch Anlagerung von neuem Material wachsen und sich vom Spreizungszentrum wegbewegen. Dieser Prozess ist im ozeanischen Bereich häufig, kann aber auch unter einem Kontinent beginnen und so zum Aufbrechen dieses Kontinents führen. So wird z.B. der ostafrikanische Graben mit seinen Vulkanen als solch eine kontinentale Riftzone angesehen.
Da die Erde nicht größer wird, kommt es durch die Kontinentaldrift natürlich auch zur Kollision von Platten. Treffen zwei mächtige kontinentale Platten aufeinander, so bilden sich große Gebirge wie z.B. der Himalaya zwischen der indischen und der eurasischen Platte. Kollidiert dagegen eine relativ dünne, ozeanische Platte mit einer dickeren, weniger dichten kontinentalen Platte, so schiebt sich die dichte ozeanische Platte unter sie und sinkt in den Erdmantel. Dieser Prozess wird als Subduktion bezeichnet und der Grenzbereich zwischen der überlagernden kontinentalen und der sich darunter schiebenden ozeanischen Platte als Subduktionszone. Eine Subduktionszone ist häufig durch einen Tiefseegraben wie z.B. den Mariannengraben gekennzeichnet. Durch mit der Tiefe zunehmenden Druck und Temperatur wird die ozeanische Platte beim Absinken entwässert, was zu Schmelzprozessen im darüberliegenden Erdmantel führt. Aus diesem Prozess resultiert ein heftiger Vulkanismus an Subduktionszonen (z.B. am sogenannten zirkumpazifische Feuergürtel).

Vulkanismus ist jedoch nicht auf Plattenränder und Riftzonen beschränkt. Es wird angenommen, dass im Erdmantel sogenannte Manteldiapire oder Mantelplumes existieren, unter denen man sich Bereiche von einigen 100 km Durchmessser vorstellt, in denen heißes Material wahrscheinlich von der Kern-Mantelgrenze bis an die Basis der Erdkruste aufsteigt. Dadurch kommt es zu einer Aufwölbung der Erdkruste und zu starkem Vulkanismus. Dabei sind insbesondere in der Initialphase eines Mantelplumes, d.h. nach Auftreffen des sogenannten “initialen Plumekopfes” auf die Unterseite einer Erdplatte (s. Abbildung rechts), sind die Magmenförderraten besonders hoch und es können viele Millionen Kubikkilometer vulkanischer Gesteine innerhalb eines geologisch relativ kurzen Zeitraumes (d.h. wenige Mill. Jahre) über dem Plume produziert werden. Dies führt zur Bildung riesiger Lavaplateaus, sogenannter “Large Igneous Provinces” (LIP´s), wie z.B. der Dekkan Trapp in Indien, die Columbia River Basalte in den U.S.A., die karibische Platte, das Ontong Java oder das Hikurangi Plateau bei Neuseeland und auch das Manihiki Plateau. Die vulkanische Aktivität über einem Mantelplume hält lange an, die Förderraten werden aber nach der Initialphase geringer. Im ozeanischen Bereich bilden sich dann Vulkaninseln (z.B. Ísland, Galápagos, kanarische Inseln, Hawaii). Im Gegensatz zu den driftenden Erdplatten ist ein Mantelplume bzw. “Hotspot” weitgehend ortsstabil. Die LIP und später die Vulkaninseln, die sich über einem Mantelplume bilden, werden also mit der Bewegung der ozeanischen Platte im Laufe von Hunderttausenden oder Millionen von Jahren vom Hotspot wegbewegt und erlöschen, während sich über dem Mantelplume neue Vulkane bilden. Durch diesen Prozess entsteht eine Hotspotspur, dass heißt eine Kette von erloschenen Vulkanen, die sich vom Hotspot weg in Richtung der Plattenbewegung erstreckt (z.B. Hawaii und die Emperor Seamount Kette).
Diese Modellvorstellung wird aber in letzter Zeit zunehmend kontrovers diskutiert (z.B. „Great Plume Debate“. So werden zum Beispiel immer mehr Vulkane und Vulkanfelder in den großen Ozeanbecken gefunden, die nicht mit dem „Plume-„ oder „Hotspotmodell“ erklärt werden können. Auch gibt es inzwischen Hinweise darauf, dass nicht alle ozeanischen Plateaus, die als LIPs angesehen werden, innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes von wenigen Mill. Jahren entstanden sind, sondern dass sich dort vulkanische Aktivität über wesentlich längere Zeiträume ereigent hat (z.B. mehrere 10´ner Mill. Jahre). Daher gibt es hier viele offene Fragen, zu deren Lösung auch das Projekt SO 193 MANIHIKI beitragen soll.

 

METHODIK UND SPEZIFISCHE ZIELE DER GEOCHEMISCHEN UNTERSUCHUNGEN UND ALTERSDATIERUNGEN AN MAGMATISCHEN GESTEINEN IM RAHMEN VON SO193 MANIHIKI

Die mit dem F.S. Sonne vom Ozeanboden geborgenen magmatischen Gesteine werden bereits auf der Ausfahrt für die Analytik vorbereitet und danach an Land mit unterschiedlichen Methoden in verschiedenen Speziallaboren weiter bearbeitet und analysiert. Mit Hilfe der Hauptelementzusammensetzung der Laven lassen sich beispielsweise Magmenkammerprozesse, d.h. Prozesse innerhalb der Erdkruste, erfassen, aber auch die mittlere Schmelztiefe, Schmelztemperatur und Zusammensetzung der Magmenquelle in erster Näherung bestimmen. Für die weiterführende geochemische Analytik stehen Methoden im Vordergrund mit denen Prozesse im Erdmantel erfasst werden können. So kann anhand von Spurenelementdaten der Aufschmelzgrad des Erdmantels berechnet und seine chemische Zusammensetzung vorläufig charakterisiert werden. Radiogene Isotopenverhältnisse wie z.B.  87Sr/86Sr, 143Nd/144Nd, 206Pb/204Pb, 207Pb/204Pb, 208Pb/204Pb und 176Hf/177Hf sind unabhängig vom Schmelzprozess und reflektieren deshalb die längerfristige Entwicklung einer Quellregion. Sie dienen somit der z.B. der Identifikation von Mantelquellen. 3He/4He-Isotopenverhältnisse sind ein isotopischer Tracer für die Herkunftstiefe von Mantelmaterial, so dass beispielsweise erhöhte 3He-Signaturen ein Hinweis auf eine Herkunft aus dem weniger entgasten unteren Mantel sind.
Das Alter von Gesteinen, vulkanischen Gläsern und Mineralien wird anhand 40Ar/39Ar-Laserdatierungen bestimmt. Dadurch erhalten wir Informationen wann und über welchen Zeitraum sich an den verschiedenen geomorphologischen Einheiten des Plateaus vulkanische Aktivität ereignete. Weiterhin kann anhand der Altersdatierungen festgestellt werden ob das Plateau und die assoziierten Seamounts durch ein Ereignis oder in mehreren zeitlich voneinander getrennten Phasen entstand. Durch die Datierungen der Plateaukanten bzw. Scarps, von Seamounts auf dem Plateaurand und von Seamounts auf der angrenzenden Ozeankruste sollen die entsprechenden Riftingereignisse, die zur Bildung der Scarps im Südwesten und Osten des Plateaus sowie den Danger Islands Troughs führten, zeitlich eingegrenzt werden. Der Abgleich dieser Daten mit denen vom Hikurangi Plateau wird uns zusätzliche Informationen über einen möglichen Zusammenhang zwischen diesen Plateaus liefern. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Alterdatierungen ist es, in Kombination mit den morphologischen und vulkanologischen Daten die Absenkungsgeschichte des Plateaus zu rekonstruieren.
Durch Synthese der verschieden geochemischen Parameter, der Alterdaten und  der vulkanologischen und bathymetrischen Daten lässt sich somit ein umfassendes Modell zum Ursprung und zur zeitlichen, magmatischen und strukturellen Entwicklung des Manihiki Plateaus erarbeiten.

 

Oben links: Elektronenmikrosonde zur Bestimmung der Zusammensetzung von Mineralen und vulkanischen Gläsern. Oben rechts: Reinraumlabor zur Aufbereitung der Gesteinsproben für die Isotopneanalytik. Unten Links: Massenspektrometer für die Analytik radiogener Isotopenverhältnisse. Unten rechts: Ar/Ar-Laserdatierungslabor.

 

EVOLUTION UND BIOGEOGRAPHIE DER BODENLEBENDEN TIEFSEEFAUNA IM BEREICH DES MANIHIKI PLATEAUS

Für das Manihiki Plateau liegen nur wenige Probennahmen zur biologischen Vielfalt vor, vor allem von den neuseeländischen TUI-Ausfahrten 1986. Danach finden sich an den Plateaurändern bis in 3.000 m Tiefe schuttartige Halden aus Resten riffbildender, die als Überreste ehemaliger Atolle des Plateaus gedeutet werden. Vermutlich ließ der während der Eiszeiten niedrigere Meeresspiegel Korallenwachstum auf den erhöhten Bereichen des Plateaus (z.B. Seamounts) zu. Nach erneutem Meerespiegelanstieg starben diese ab, wurden erodiert und in die Tiefe verlagert. Derartige karbonathaltige biogene Grobsedimente sind ein idealer Lebensraum für benthische Makrofaunaorganismen wie es z.B. auch die Korallen-mounds des Chatham Rise auf der Ausfahrt SO 168 zeigten. Das Manihiki Plateau selbst ist gekennzeichnet von großflächigen Sedimentablagerungen in Form karbonathaltiger Foraminiferensande bzw. Klei-artigem Sediment mit hoher Bioturbationsrate. Das Plateau wird in Nord-Süd-Richtung von einem tiefen Graben durchzogen, der als Ausbreitungsbarriere – vergleichbar den ozeanischen Rücken – fungieren könnte, allerdings ist Strömungsverdriftung auch für Meiofauna beschrieben, so dass ähnliche Artenzusammensetzungen beiderseits des Grabens möglich sind. Die reiche Strukturierung des Manihiki Plateaus in Kombination mit der beschriebenen Qualität des Plateau-Untergrunds läßt auf eine hochdiverse Fauna schliessen, die sich als 'centre of origin' herausstellen könnte.
Durch Vorarbeiten im Rahmen der Ausfahrten SO144-3, SO158 (SE-Pazifik) und SO168 (Hikurangi Plateau, Chatham Rise) konnte gezeigt werden, dass sich sessile Makrofauna-Organismen der Tiefsee, wie etwa Brachiopoda, in ihrer Ausbreitung an untermeerischen Höhenzügen (MORs) orientieren und diese Hartstrukturen über die Weiten der Tiefseebecken als Ausbreitungslinien und damit als Kommunikationsstraßen zwischen Populationen fungieren. Das Auftreten der neuen Brachiopodenart Kakanuiella chathamensis (siehe obere Abb.) aus der Gruppe der Thecideoidea, die üblicherweise auf Korallenriffe des Flachwassers beschränkt sind, in über 1.000 m Tiefe während der Ausfahrt SO168 lässt vermuten, dass es möglicherweise auch einen Austausch zwischen dem Kontinentalschelf und der Tiefsee gibt, zumal der nächste Verwandte dieser neuen Art ein Flachwasserbewohner gewesen ist.
Für Vertreter der Meiofauna wie etwa Kinorhyncha wird dagegen diskutiert, dass die MORs eher Barrieren für deren Ausbreitung bilden, da sie als holobenthische Organismen nicht über pelagische Larvenstadien verfügen. Es konnte gezeigt werden, dass es offenbar eine typische Tiefseegemeinschaft bestimmter Kinorhynchen-Arten gibt, die im Flachwasser wenn überhaupt nur sehr selten zu finden sind. Dennoch gelingt es offenbar einzelnen Arten immer wieder in die Tiefsee vorzudringen, wie am Beispiel der Loricifera verdeutlicht werden kann. Zudem scheint das massive Auftreten dieser Meiofauna-Organismen im Bereich von Transformstörungen anzuzeigen, dass letztere als Korridore fungieren und somit Artenaustausch über die ozeanischen Rücken hinweg ermöglichen. 
Für die Probennahme konzentrieren wir uns auf Schlüsselgruppen, die aufgrund ihres erwarteten Auftretens in den Proben eine gute Datengrundlage ermöglichen werden. Zugleich sind zu diesen Schlüsselgruppen bereits während vorheriger Expeditionen (SO 144-3, SO 158, SO 168) viele neue Erkenntnisse gewonnen worden (s. untere Abb.), die interessante Vergleiche zwischen den Faunen der unterschiedlichen Probengebiete zulassen werden.
Bei der Makrofauna stehen die Porifera, Bryozoa und Brachiopoda im Mittelpunkt des Interesses, bei der Meiofauna sind es die Kinorhyncha und Loricifera. Zunächst werden alle gefundenen Vertreter der Schlüsselgruppen bis auf Artniveau bestimmt und für die Wissenschaft neue Arten, mit denen in jedem Fall zu rechnen ist, neu beschrieben. Das übrige Material wird nach Großgruppen vorsortiert und anschliessend an Spezialisten zur Bestimmung/Beschreibung gegeben. Die Fixierung für licht- und elektronenmikroskopische sowie genetische Untersuchungen dient der Ermittlung morphologischer und molekularbiologischer Merkmale, die für eine phylogenetische Analyse herangezogen werden können. Diese Analyse ist Grundvoraussetzung für eine nachgeschaltete Hypothesenbildung zur Biogeographie des Manihiki-Plateaus, denn nur wenn die Einordnung der gefundenen Schlüsselgruppen-vertreter in das phylogenetische System gelingt, können Verwandtschaftsverhältnisse in Kombination mit geographischen Parametern sinnvoll untersucht werden.

KOOPERATIONSPARTNER
Prof. Dr. Francisco Javier Cristobo - Spanish Institute of Oceanography, Gijón - fjcristobo(at)yahoo.es
PD Dr. Ingrid Kröncke - Forschungsinstitut Senckenberg, Wilhelmshaven - ingrid.kroencke(at)senckenberg.de
Prof. Dr. Reinhardt M. Kristensen, Dipl.-Biol. Iben Heiner - Zoologisk Museum, University of Copenhagen - rmkristensen(at)snm.ku.dkIheiner(at)zmuc.ku.dk

 

WEITERFÜHRENDE LITERATUR (AUSWAHL)

(A) Manihiki, Hikurangi und Ontong Java Plateaus, Large Igneous Provinces, Mantelplumes und „Great Plume Debate“

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(B) Biologie

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