Mit der MARIA S: MERIAN sind die Forschenden in die Labradorsee aufgebrochen, um unter anderem Daten über den Zustand des Tiefen Westlichen Randstroms zu sammeln. Foto: Sören Janssen, GEOMAR

Seit 1997 betreibt das GEOMAR vor der Küste Labradors (Kanada) ein Langzeit-Ozean-Observatorium mit sieben Mess-Stationen, verteilt über eine Länge von 120 Kilometern. Während der Expedition MSM129 werden die Daten ausgelesen. Foto: Johannes Karstensen

Auf Datensammlung zu Klimaänderungen im Nordatlantik

MERIAN-Expedition MSM129 setzt Langzeitbeobachtungen in der Labradorsee fort

27.05.2024/Kiel/Rostock. Als wichtiger Teil des Förderbandes globaler Meeresströmungen wird im gesamten Atlantik Wärme nach Norden transportiert – ein Prozess, der das heutige Klima auf der Erde stabilisiert. Wenn dieser Wärmetransport abnimmt, kann ein Kipppunkt des Klimasystems überschritten werden, mit der Folge weltweiter Klimaveränderungen. Eine Schlüsselregion für ein funktionierendes globales Förderband ist der Nordatlantik, insbesondere die ozeanischen Prozesse in der Labrador- und Irmingersee. Dorthin ist am Samstag eine internationale Expedition unter Leitung des GEOMAR aufgebrochen, um neue Messdaten zum Zustand der Tiefenströmungen im Nordatlantik zu gewinnen. Über die Online-Plattform BELUGA können sowohl das Schiff als auch Messdaten live verfolgt werden.

Im Nordatlantik verliert das Oberflächenwasser riesige Mengen an Wärme an die Atmosphäre – ein Prozess, der uns in Europa ein mildes Klima beschert. Als Folge davon wird das zunehmend abgekühlte Oberflächenwasser schwerer und sinkt in größere Tiefen ab, wo es schließlich als Tiefenwasser in Richtung Südatlantik strömt. Diese Tiefenströmungen orientieren sich aufgrund der Erdrotation an den westlichen Rändern der Kontinente und bilden dort Strömungsbänder aus, die als „Tiefer Westlicher Randstrom“ bezeichnet werden.

Die Labradorsee ist eine der wenigen Regionen der Welt, in der dieses Strömungsband nahe der Oberfläche zu finden ist. Deshalb kann diese Region auch als eine Art Eingang zur Tiefsee betrachtet werden. Treten hier Änderungen auf, etwa der Temperatur, des Sauerstoff- oder des Kohlendioxidgehalts, so werden diese in die Tiefsee exportiert – wo sie möglicherweise für Jahrhunderte verbleiben. Für Klimavorhersagen mit Hilfe von Modellrechnungen ist es wichtig, die Prozesse zu verstehen, die zu Veränderungen im Tiefen Westlichen Randstrom führen.

Messdaten belegen, dass sich bereits etwas ändert – und die Forschung konnte Zusammenhänge mit ozeanischen und atmosphärischen Prozessen herstellen, etwa mit der Ausbreitung von Temperatur- und Salzgehaltsanomalien und Schwankungen in Winden und Wärmeflüssen. Um hierbei zwischen Klima- und kurzfristigen Schwankungen zu unterscheiden und ihre ozeanischen und atmosphärischen Antriebe zu identifizieren, sind möglichst langfristige Messreihen erforderlich.

„Seit dem vergangenen Jahr beobachten wir im Nordatlantik eine bisher nie dagewesene Erwärmung, die in Regionen wie der Labradorsee teilweise Werte von mehr als fünf Grad über dem Durchschnitt aufweist“, sagt Dr. Johannes Karstensen, Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Fahrtleiter der internationalen Expedition MSM129, die am Samstag mit der MARIA S. MERIAN von Rostock aus in den Nordatlantik aufgebrochen ist. Karstensen: „Eine wichtige Frage im Rahmen unserer Expedition wird sein, ob sich diese Wärmeanomalie auch in tieferen Schichten des Nordatlantiks nachweisen lässt und ob sie sich möglicherweise bereits auf die Strömungen auswirkt.“

Um das herauszufinden, werden die Forschenden Daten sammeln, die in Zusammenhang mit einem langjährigen Klimabeobachtungsprogramm stehen: Seit 1997 betreibt das GEOMAR vor der Küste Labradors (Kanada) ein Ozean-Observatorium mit sieben Mess-Stationen, verteilt über eine Länge von 120 Kilometern. Die Geräte zeichnen kontinuierlich Daten zu Strömung, Temperatur, Sauerstoff- und Salzgehalt auf – vom Meeresboden bis knapp unter die Meeresoberfläche. Alle zwei Jahre fahren Forschende in die Region, um die Daten auszulesen und entlang der Route vom Schiff aus weitere Proben zu nehmen.

Auf dem Transit von Rostock bis zum ersten Zwischenstopp im kanadischen St. Johns wird die MARIA S. MERIAN außerdem verschiedenste Typen von Unterwegsdaten sammeln. Dabei soll auch getestet werden, wie schnell internationale Datenzentren Zugriff auf die Daten bekommen, um deren Nutzung für Ozean- und Wettervorhersagen zu ermöglichen.

„Der Ozean besitzt Eigenschaften, die die bisherigen Auswirkungen der dramatisch voranschreitenden Klimaerwärmung abmildern“, sagt Karstensen. So hat der Ozean aufgrund seiner hohen Wärmekapazität bisher mehr als 90 Prozent der überschüssigen Wärme aufgenommen und speichert diese in zunehmend größeren Tiefen. Doch je mehr sich die Tiefsee verändert, desto weniger kann der Ozean menschengemachte Veränderungen in der Atmosphäre wie die Erwärmung und den Anstieg von Treibhausgasen abmildern. „Irgendwann stößt auch die Kapazität der Tiefsee an ihre Grenzen.“

 

Expedition auf einen Blick:

MARIA S. MERIAN Expedition MSM129

Name: LabSeaFlow2024

Fahrtleitung: Dr. Johannes Karstensen

Datum: 25.05.-06.07.2024

Start: Rostock (Deutschland)

Ende: Reykjavik (Island)

Fahrtgebiet: Nordatlantik/Labradorsee

Die Position des Schiffes und erste Daten können live online über die am GEOMAR entwickelte BELUGA-Plattform verfolgt werden.

Ein Forschungsschiff auf spiegelglatter blauer See

Mit der MARIA S: MERIAN sind die Forschenden in die Labradorsee aufgebrochen, um unter anderem Daten über den Zustand des Tiefen Westlichen Randstroms zu sammeln. Foto: Sören Janssen, GEOMAR

Schiffscrew und Forschende in gelben und orangefarbenen Arbeitsanzügen auf einem Forschungsschiff

Seit 1997 betreibt das GEOMAR vor der Küste Labradors (Kanada) ein Langzeit-Ozean-Observatorium mit sieben Mess-Stationen, verteilt über eine Länge von 120 Kilometern. Während der Expedition MSM129 werden die Daten ausgelesen. Foto: Johannes Karstensen