Wie der Mensch den Ozean beeinflusst
Annette Barthelt-Stiftung zeichnet zwei junge Meeresforscher für Arbeiten zum antarktischen Kohlenstoffkreislauf und zu langfristigen Schadstoffverteilungen aus
Das Thema ist leider immer noch aktuell. Egal ob in Boston, in Damaskus oder in Bagdad: Fast täglich sterben Menschen irgendwo auf der Welt bei Terroranschlägen. Meist sind die Opfer Unbeteiligte, Marktbesucher, Gäste von Großveranstaltungen, Passanten. Das war vor 26 Jahren nicht anders. Damals explodierte ein Sprengsatz in einem Café in der belebten Altstadt von Dschibuti. Dreizehn Menschen starben, 41 wurden teils schwer verletzt. Unter den Toten waren auch vier junge Wissenschaftler des damaligen Kieler Instituts für Meereskunde (IfM): Annette Barthelt, Marco Buchalla, Hans-Wilhelm Halbeisen und Daniel Reinschmidt. Vier weitere Wissenschaftler des Kieler Instituts erlitten schwere Verletzungen, unter deren Folgen sie bis heute leiden. Sie alle hatten sich auf dem Forschungsschiff METEOR für eine wissenschaftliche Expedition in den Indischen Ozean eingeschifft. Vor dem Start einer langen Forschungsreise wollten sie ein letztes Mal an Land zu Abend essen. Zufällig hielten sie sich in dem Café auf, das Ziel des Attentats wurde.
Zum Gedenken an die Tat gründeten Überlebende, Angehörige und Freunde die Annette Barthelt-Stiftung e.V. Sie hat zum Ziel, einerseits die Problematik des Terrorismus sowie seine Folgen für die Betroffenen und für die Gesellschaft öffentlich darzustellen. Andererseits fördert sie herausragende wissenschaftliche Arbeiten junger Meereskundler, die auf Schiffsexpeditionen beruhen. In diesem Jahr wird der „Annette Barthelt-Preis“ bereits zum 24. Mal verliehen. Die Preisträger 2013 kommen vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sowie vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht (HZG).
Frau Dr. Judith Hauck (AWI) erhält den Preis für ihre Dissertation „Processes in the Southern Ocean carbon cycle: Dissolution of carbonate sediments and inter-annual variability of carbon fluxes.“ Darin hat sie sich einerseits mit möglichen Rückkoppelungseffekten der zunehmenden Ozeanversauerung im Südpolarmeer beschäftigt. Andererseits untersuchte sie, wie sich Veränderungen in den Windsystemen des Südpolarmeeres auf den Kohlenstoffkreislauf dort auswirken könnten. Denn im Zuge des von Menschen verursachten Klimawandels nehmen auf der Südhalbkugel die Westwinde an Stärke zu. Eine Folge davon ist, dass mehr kohlenstoffreiches Wasser aus der Tiefsee an die Oberfläche transportiert wird, wodurch der Ozean weniger Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Die Klimaerwärmung würde sich so beschleunigen. Gleichzeitig bringt das Tiefenwasser aber viele Nährstoffe an die Oberfläche. Dadurch gedeiht das pflanzliche Plankton besser, das durch Photosynthese Kohlenstoff in sich aufnimmt und nach dem Absterben wieder in die Tiefe transportiert. Die Arbeit konnte unter anderem zum ersten Mal zeigen, dass im Südpolarmeer die biologischen Prozesse bei der Reaktion des Kohlenstoffkreislaufes auf physikalische Veränderungen wie verstärkte Winde eine wichtige Rolle spielen und dadurch mehr CO2 aufgenommen werden kann.
Der zweite Preisträger in diesem Jahr ist Dr. Axel Möller, der an der Universität Lüneburg und am Helmholtz-Zentrum Geesthacht promoviert hat. Er wird ausgezeichnet für seine Dissertation „Alternative Halogenated Flame Retardants versus PBDEs in the Global Marine Environment - Occurrence, Distribution and Long-Range Atmospheric Transport toward the Polar Regions.“ Darin hat sich Dr. Möller mit der Ausbreitung bestimmter Flammschutzmitteln im Ozean und in der Atmosphäre beschäftigt. Flammschutzmittel werden seit den 1960er Jahren in zahlreichen Industrie- und Konsumgütern eingesetzt. Anfänglich war eine bestimmte Gruppe Flammschutzmittel, sogenannte PBDEs, sehr verbreitetet. Doch da sie mittlerweile als schädlich für Mensch und Umwelt eingestuft werden und sie sich gleichzeitig in der Umwelt sehr schnell und weit verbreiten, wurde ihre Nutzung stark eingeschränkt. Anhand von Untersuchungen in den Polarregionen, im Atlantischen, Pazifischen und Indischen Ozean sowie in der Nordsee konnte Dr. Möller im Rahmen seiner Dissertation nachweisen, dass auch die aktuell eingesetzten Ersatzstoffe bereits weit in der Natur verbreitet sind und deshalb keine schonende Alternative zu den PBDEs darstellen.
Die Preise sind mit einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsstipendium in Höhe von jeweils 3.000 Euro verbunden. Beide Preisträger stellen ihre Arbeiten im Rahmen des Festaktes vor.
In seinem Festvortrag wird Prof. Dr. Detlef Quadfasel vom Klimacampus der Universität Hamburg, gleichzeitig wissenschaftlicher Leiter der Leitstelle Forschungsschiff METEOR, außerdem auf die große Bedeutung eingehen, die Forschungsschiffe als schwimmende Labors, Arbeitsplattformen und Beobachtungsstationen für die Wissenschaft haben – sowohl in der Gegenwart als auch in der Zukunft.
„So schrecklich die Ereignisse von Dschibuti waren, so wichtig ist es, das Wissen über unseren Heimatplaneten voranzubringen. Deshalb ist es gut, dass immer wieder junge Menschen auf Expeditionen gehen, um aktuellen wissenschaftlichen Herausforderungen zu begegnen“, sagt Prof. Dr. Wolf-Christian Dullo, Vorsitzender der Annette Barthelt-Stiftung. „Letztendlich ist Wissen auch ein Schutz vor Fanatismus und Eifer“, fügt er hinzu.
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