Abb. 1: Unterseeische Berge sind im östlichen Nordatlantik sehr zahlreich.

Seamounts - die Oasen der Ozeane

Wie ehemalige Vulkane zu Paradiesen des Lebens werden

von Uwe Piatkowski, GEOMAR und Klaus von Bröckel

"Blau", das ist die Farbe des offenen Meeres, des weiten Ozeans. Als Blauwassersegler werden Segler bezeichnet, die sich aus den Küstenregionen hinaus auf das offene Meer wagen. Blau ist aber auch die "Wüstenfarbe" des Meeres, denn je weniger Kleinalgen, sogenanntes Phytoplankton, im Wasser vorhanden sind, um so blauer erscheint es uns. Im Ozean gibt es Oasen, unterseeische Kuppen und Berge, sogenannte "Seamounts". Dort steigt nährstoffreiches Wasser auf und bildet die Grundlage für reiche Lebensgemeinschaften.

Mit zunehmender Konzentration an kleinen pflanzlichen Einzellern, dem Phytoplankton, verändert sich dort die Farbe des Meerwassers. Mit ihren Farbstoffen, vor allem dem grünen Chlorophyll, das wir aus allen Landpflanzen kennen, erscheint das Wasser grünlich, aber auch bräunlich oder sogar rot, wenn Massenvorkommen von Algen "red tides" erzeugen.

Seamounts - die Oasen der Ozeane

Seamounts, wörtlich übersetzt "Seeberge", sind Berge, die sich vom Meeresboden in ca. 3.000 bis 4.000 Meter Tiefe erheben, aber die Wasseroberfläche nicht erreichen. Würden sie an Land stehen und für unser Auge sichtbar sein, so wären sie eindrucksvolle Landschaftsgebilde.

Seamounts kommen in allen Ozeanen vor: Allein im subtropischen Wirbel des Ost-Atlantiks befinden sich mehr als zwanzig dieser unterseeischen Berge. Sie sind meistens vulkanischen Ursprungs. Seamounts sind mindestens 1.000 Meter hoch, haben ausgeprägte steile Hänge (bis zu 60 Grad) und eine relativ geringe Ausdehnung im Kuppenbereich.

Im Gegensatz zum umgebenden Ozean zeichnen sich Seamounts durch ein erhöhtes Vorkommen von Organismen aus. Sowohl im Wasser als auch auf dem Meeresboden sind in diesen Bereichen umfangreiche pelagische und benthische Lebensgemeinschaften anzutreffen. Wenn die Meeresberge mit ihrer Kuppe in die obere lichtdurchflutete Zone, die sogenannte "euphotische Zone" hineinreichen, können auch Pflanzen auf ihnen wachsen. Vor allem große Braunalgen, deren Ansammlungen fast als unterseeische "Kelpwälder" bezeichnet werden können, nutzen diesen Lebensraum.

Durch das oft große und vermehrte Vorkommen von Fischen, Tintenfischen und auch Seeschildkröten waren die Seamounts vor ihrer eigentlichen "wissenschaftlichen" Entdeckung den örtlichen Fischern oft schon bekannt. Sie hüteten deren Position, die die Basis ihres Fangerfolgs darstellt, jedoch oft wie ein Geheimnis.

Seamounts - die Grundlagen der Oasen

Bei den Landwüsten ist es das Vorkommen von Wasser, dem die Oasen ihren Ursprung und ihre Üppigkeit verdanken. Im Meer ist genug Wasser vorhanden, hier sind es die gelösten Nährstoffe und die Ansammlung von Nahrung (zum Beispiel Fische), die die Basis der Lebensgemeinschaften der Seamounts bilden.

Durch die vorherrschenden Meeresströmungen sowie Ebbe und Flut können sich über den Seamounts stationäre Wirbel bilden, sogenannte "Taylor Kappen". In diesen Wirbeln wird Wasser mit einem erhöhten Nährstoffgehalt aus der Tiefe nach oben transportiert. Die Nährstoffe bilden die Grundlage für das Wachstum kleinster Pflanzen, dem Phytoplankton. Dies wiederum bildet die Nahrungsbasis für vielfältige Lebensgemeinschaften.

In diesen Wirbeln werden außerdem kleinere Tiere, wie zum Beispiel Fischlarven konzentriert, die normalerweise wegtreiben würden. Sie können hier gut überleben und sich weiterentwickeln.

Durch das beständige Heranführen von anorganischen und organischen Nährstoffen mit den vorherrschenden Meeresströmungen kann sich eine große Lebensgemeinschaft auf der Oberfläche und im Substrat der Seamounts entwickeln, die von kleinen Bakterien bis zu großen Krebsen reichen kann.

Andere Organismen, vor allem vertikal wandernde Tiere des sogenannten "Zooplanktons", die nachts aus der Tiefe nach oben kommen, können auf Seamounts "stranden". Wenn sie nachts durch Strömungen über die Seamounts treiben, gelangen sie bei der Tagwanderung nach unten nicht mehr in größere Wassertiefen, sondern "landen" auf dem Seamount, wo sie gefressen werden können.

Seamounts - ihre Bedeutung für die Biologie der Ozeane

Die erhöhte Produktion und die vorhandene Biomasse an und auf Seamounts macht sie so zu den "Oasen der Ozeane" - mit weitreichenden Folgen für verschiedene biologische Prozesse:

- Seamounts sind für alle Organismen im Ozean mit ausgeprägtem Wanderverhalten (zum Beispiel Fische oder Schildkröten) ein relativ leicht wiederzufindender Treffpunkt, eine Art Leuchtturm, der unabhängig von seiner Produktivität im Lebenszyklus der Tiere wichtig sein kann, etwa für die Paarung und für die Fortpflanzung.

- Seamounts sind eine ideale "Kinderstube" für wandernde Tierarten, die hier nur einen Teil ihres Lebenszyklus zubringen. Ohne diese Kinderstube können diese Tierarten aber im Ozean nicht überleben.

- Seamounts dienen der Verbreitung von Organismen entlang von Seamount-Ketten, indem sie die Entfernungen zwischen geeigneten Lebensräumen erheblich verringern. Vor allem benthische Organismen (Pflanzen und Tiere), die auf und im Sediment leben, können sich so über den ganzen Ozean verbreiten. So wäre zum Beispiel ein Überqueren des warmen Äquators für Meeresalgen aus kälteren Gewässern ohne Seamounts nicht denkbar. Dies hat eine weitreichende Bedeutung für Biogeographie und Evolution vieler Organismen und Lebensgemeinschaften.

- Seamounts zeichnen sich darüber hinaus, bedingt durch ihre Abgeschiedenheit, durch sehr spezifische Ökosysteme mit einem hohen Grad an Endemismen und hoher Biodiversität aus. Das heißt hier ist ein großes genetisches Potential der unterschiedlichsten Arten konzentriert, die wiederum die Lebensräume an den Küsten besiedeln können.

Seamounts - Forschungsziele der Meereskundler

In verschiedenen Projekten sind in der Vergangenheit vereinzelt Untersuchungen an Seamounts wie dem Ampère Seamount, der Meteor Bank, den Rocks of São Paulo und São Pedro durchgeführt worden. In naher Zukunft ist am GEOMAR erstmals ein interdisziplinäres Forschungsprojekt geplant, das an einem Seamount im östlichen Nordatlantik das qualitative und quantitative Nahrungsgefüge quer durch alle Ebenen der Nahrungskette, vom Bakterioplankton bis zu den Top-Prädatoren untersuchen soll. Dabei werden die verschiedenen Lebensräume des Pelagials und Benthals bis hin zum Luftraum charakterisiert, und in Bezug zu ihren besonderen physikalischen und biogeochemischen Bedingungen gesetzt.

Neben der traditionell erprobten meeresökologischen Feldforschung sollen dabei Kamerasysteme installiert werden, die mittels Bilddatenfernübertragung die Verteilung von seltenen und großen Tieren und ihre Rolle im Ökosystem dokumentieren.

Weiter kommt dem Einsatz von automatischen Messsystemen in stationären Langzeitverankerungen eine besondere Bedeutung zu. Diese sollen zwischen einzelnen Expeditionen an Verankerungen, beziehungsweise auf dem Meeresboden, physikalische, chemische und biologische Parameter erfassen und registrieren. Angestrebt wird dabei die online-Übertragung zumindest eines Teils dieser Meßdaten via Satellit und Internet.

Mit den gewonnenen Daten soll ein dreidimensionales bio-physikalisches Modellsystem entwickelt werden, das eine vollständige Beschreibung des Seamount-Ökosystems ermöglicht und auf vergleichbare Systeme in unterschiedlichen Regionen übertragbar ist. Ein erstes grobes Fließmodel (Abb. 4) veranschaulicht die Komplexität der Lebensgemeinschaften an und um Seamounts.

Im internationalen Rahmen ist das GEOMAR im Rahmen des Projektes MAR-ECO (Patterns and Processes of the ecosystem of the Northern Mid-Atlantic) eingebunden, dass sich mit den Lebensgemeinschaften und ihre Bedeutung auf dem Mittelatlantischen Rücken beschäftigt. Dort reihen sich viele Seamounts aneinander.

 

Weiterführende Fachliteratur:

Keating, B.H., Fryer, P., Batiza, R., Boehlert, G.W. (Eds.), 1987: Seamounts, islands and atolls. Geophys. Monogr. 43:319-334.

Koslow, J.A. (1997). Seamounts and the ecology of deep-sea fisheries. Am. Sci. 85:168-176.

Menard, H.W. (1964). Marine Geology of the Pacific. International Series in the Earth Sciences. McGraw-Hill, New York, 271 pp.

Abb. 1: Unterseeische Berge sind im östlichen Nordatlantik sehr zahlreich.
Abb. 2: Die Große Meteorbank, ein Seamount im Nordost-Atlantik, der sich aus über 4000 m Tiefe bis 275 m unter die Wasseroberfläche erhebt.
Abb. 3: Kelpansammlung auf einem Seamount (aus www.biologie.uni-hamburg.de/b-online)
Abb. 4: Ein Konzeptionelles Fließmodel der wichtigsten Beziehungen zwischen den verschiedenen Lebensgemeinschaften.