Tsunamis - die tödliche Gefahr aus dem Ozean
Warum die "Hafenwelle" so zerstörerisch ist
von Prof. Dr. Heidrun Kopp, GEOMAR
Das japanische Wort TSUNAMI bedeutet „große Welle im Hafen“. Der japanische Ursprung des Wortes deutet bereits darauf hin, dass dieses Naturphänomen am häufigsten im Pazifik auftritt. Der Name soll entstanden sein, weil japanische Fischer, die weit draußen auf einem scheinbar ruhigen Meer unterwegs waren, bei der Heimkehr völlig zerstörte Dörfer vorfanden. Tatsächlich sind TSUNAMIS auf dem offenen Meer kaum oder gar nicht wahrnehmbar, während sie an der Küste katastrophale Auswirkungen haben. Wie kommt es dazu?
Tsunamis sind bis zu mehrere 100 Kilometer lange, fortschreitende Wellen im Meer, die durch untermeerische Erdbeben (Magnitude größer als 7, Tiefe kleiner als 10.000 Meter), untermeerische Vulkanausbrüche oder Hangrutsche an der Küste oder im Meer erzeugt werden. Wenn Wind oder Strömungen Wellen erzeugen, ist nur die Wasseroberfläche bewegt. Bei einem Tsunami ist dagegen die gesamte Wassersäule in Bewegung.
Die sehr großen Wellenlängen verbunden mit relativ geringen Wellenhöhen um einen Meter sorgen dafür, dass Tsunamis von Schiffen auf dem offenen Meer nicht wahrgenommen werden. Die Wellen breiten sich vom Zentrum des Ereignisses (Epizentrum) mit großer Geschwindigkeit von 700-800 km/h ringförmig aus. Sie können daher in kurzer Zeit große Ozeanräume durchlaufen, z.B. den gesamten Pazifik von Südamerika bis Südasien in 24 Stunden. Erreicht die Tsunami-Welle flache Küstengewässer, wird sie stark abgebremst. Gleichzeitig wird sie immer höher und kann so eine enorme Zerstörungswirkung an der Küste erreichen.
Je nachdem, wie genau der Tsunami enstanden ist (Erdbeben, Hangrutschung, Vulkanausbruch) bzw. wie der Meeresboden und die Küste geformt sind, kann in einer Region zunächst der Wasserspiegel fallen, worauf dann mehrere Wellenkämme folgen, während andere Regionen zunächst von einer Flutwelle erreicht werden, bevor der Wasserspiegel fällt. Die Tiefenwirkung von Tsunami-Wellen zeigt sich daran, dass Tiefseefische aus Wassertiefen um 1.000 Meter an der Wasseroberfläche erscheinen.
Tsunami Frühwarnsysteme
Nach einem Tsunami mit großen Schäden wurde bereits 1946 auf Hawaii mit dem Aufbau des weltweit ersten Tsunami-Frühwarnsystems begonnen. Seit 1965 überwacht das Pacific Tsunami Warning Center (PTWC) in Honolulu/Hawaii die Entstehung von Tsunamis, berechnet ihre Laufzeit und gibt pazifikweite Warnungen heraus. Der PTWC verfügt über eigene seismische und Pegel-Messdaten sowie über satellitengestützte Datenverbindungen zu anderen regionalen Netzen und Datenzentren. Es alarmiert bei Beben, die eine Magnitude größer als 6,5 haben, berechnet deren Position und genaue Magnitude innerhalb von 10 bis 15 Minuten, schätzt die Tsunami-Wahrscheinlichkeit ein, prüft die Pegelhöhen von 75 Stationen pazifikweit auf mögliche Anzeichen von Tsunami-bedingten Meeresspiegelschwankungen, errechnet die Laufzeit der Tsunami-Wellenfront durch den Pazifik und gibt bei entsprechende Warnungen heraus.
Allerdings ereignen sich 99 Prozent der Schadens-Tsunamis weniger als 400 km bzw. in 30 Min. Laufzeit von der nächsten Küste entfernt. Nur regionale Tsunami-Zentren können in diesem Fall effektiv vorwarnen, vorausgesetzt sie verfügen über seismische und Pegel-Sensoren mit Satelliten- oder telemetrischer Datenübertragung in nahezu Echtzeit, automatische Alarmsysteme und Rechnerprogramme zur Ereignisbewertung und Magnitudenberechnung sowie direkter Kommunikationsverbindung zu Katastrophen-Managern und -Zentren. Heute können Warnungen in der Zeit von 20 bis 30 Minuten ausgesprochen werden. Regionale Tsunami-Warnzentren gibt es heute unter anderem in Alaska, auf Sachalin, in Hongkong, Seoul, Manila, Papua Neuguinea, Tahiti, Mexico, Chile, aber auch in Süditalien. Bei einer Tsunami-Laufzeit von weniger als zehn Minuten bestehen allerdings nur wenig Chancen für eine Warnung.
Beim dem katastrophalen Tsunamui vom 26.12.2004 lag das Epizentrum ca. 350 Kilometer vor der Küste von Nord-Sumatra. Der Tsunami erreichte die Küste nach etwa 30 Minuten. Nach einer Stunde erreichte die Welle Thailand, nach zwei Stunden Sri Lanka, nach drei Stunden die Malediven und nach etwa sieben Stunden die ostafrikanische Küste.
Wie entstand das Tsunami Erdbeben am 26.12.2004?
Am 26.12.2004 ereignete sich vor der indonesischen Insel Sumatra ein schweres Seebeben der Magnitude neun und erzeugte mehrere Flutwellen. Der Tsunami verursachte große Schäden in Indien, Thailand, Malaysia, Indonesien, Sri Lanka, auf den Malediven und in Ost-Afrika (Somalia, Kenia). Am stärksten betroffen war der Westen Thailands, der Norden Sumatras und Sri Lanka. Nach aktuellen Schätzungen sind dabei mehr als 200.000 Menschen ums Leben gekommen.
Die detaillierten Echolot-Vermessungen im Weltozean revolutionierten in den 1960er Jahren das Verständnis des Systems Erde. Es entstand das Modell der Plattentektonik: Ca. hundert Kilometer dicke Platten schwimmen – bewegt durch Konvektionsströme – auf dem zähflüssigen Erdmantel. Dabei kommt es zu Kollisionen einzelner Platten. Wenn bei einer derartigen Kollision eine Platte zu
einem Kontinent gehört (kontinentale Platte) und die andere zum Meeresboden (ozeanische Platte), führt die höhere Dichte der ozeanischen Platte dazu, dass sie sich unter die weniger dichte kontinentale Platte schiebt. Dabei wird ozeanische Kruste „verschluckt“, das heißt dem Erdmantel zugeführt. Dieser Prozess wird Subduktion genannt. Die Subduktionszonen befinden sich in den Tiefseegräben, die bis Tiefen von bis zu 11.000 Metern erreichen.
Das Erdbeben im Indischen Ozean am 26.12.2004 ereignete sich im Sunda-Graben, ca. 250 Kilometer SSE vor Banda Aceh auf Sumatra. Dort taucht die ozeanische Indo-Australische Platte mit einer Geschwindigkeit von ca. fünf Zentimetern pro Jahr unter die Sunda Platte und die Burma Mikroplatte. Wenn sich bei diesem Prozess die Platten miteinander verhaken, baut sich über Jahre eine enorme Spannung auf, die sich in Form von Erdbeben entlädt, wenn sich die Platten schließlich ruckartig gegeneinander verschieben. Das Beben breitete sich mit einer Geschwindigkeit von 3,5 Kilometer pro Sekunde entlang der Störungszone aus. Bei dem Hauptbeben kam es zu einem Bruch in Süd-Nord-Richtung von mehr als 1.000 Kilometer Länge. Die Erdbeben-Daten wurden im etwa 9.000 Kilometer vom Epizentrum entfernten Deutschen Seismologischen Regionalnetz ausgewertet.
Prof. Dr. Heidrun Kopp arbeitet in der Forschungseinheit "Geodynamik" am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Naturgefahren, speziell Erdbeben und Tsunamis, Plattentektonik sowie Marine Geodynamik. Seit 2010 ist sie Mitglied im Vorstand der Deutschen Geophysikalischen Gesellschaft.
Weitere Informationen finden Sie
beim Geoforschungzentrum Potsdam (GFZ): http://www.gfz-potsdam.de
auf der Website Intermargins (Informationsquelle über Tsunamis; in englisch)
bei der Internationalen Koordinierungstelle für Tsunami-Warnungen im Pazifik (in englisch)
beim Pacific Tsunami Warning Centre (NOAA, USA): http://www.prh.noaa.gov/ptwc/
(englisch)