Das Schicksal der Korallenriffe
Petersen Exzellenz-Professur 01 | Prof. Dr. Jonathan Erez
Der Stoffwechsel eines tropischen Korallenriffs im globalen Wandel
Korallenriffe sind das produktivste und vielfältigste Ökoystem im Ozean überhaupt. Ein Riff, aufgebaut aus lebenden und abgestorbenen Korallen, stellt einen üppigen Lebensraum für zahlreiche Meereslebewesen unterschiedlicher Größe, Zusammensetzung und Farbe dar, welcher so gleichermaßen Touristen und Wissenschaftler anzieht. Die riffbildenden Organismen sind meistens mit Algen in Symbiose lebende Korallen, aber auch Kalkalgen, Foraminiferen und Muscheln, die zusammengenommen für ungefähr 40 Prozent der Menge des im Ozean gebildeten Kalziumkarbonats (Kalk) verantwortlich sind. Dieser chemische Vorgang wird auch als Kalkfällung bezeichnet.
Das Wachstum und die generelle Existenz dieser großen Kalkstrukturen hängen dabei hauptsächlich vom Verhältnis von Kalkfällung zur Kalklösung ab. Überwiegt die Kalklösung die Kalkfällung, sind das Riff und das gesamte darin befindliche Ökosystem bedroht. Im schlimmsten Fall bleiben nur Bruchstücke übrig und die gesamte Fauna und Flora eines Korallenriffs geht verloren. Leider zeigen die heutigen Befunde, dass in vielen Riffen in der Tat bereits ein solches Ungleichgewicht existiert, sodass die Gefahr besteht, dass viele der heute noch blühenden Riffe in den nächsten 50 bis 100 Jahren der Menschheit verloren gehen. Vergleichende Studien an australischen Riffen, die bereits in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts begonnen haben, zeigen, dass dort die Fähigkeit der Korallen, Kalk auszubilden, bereits um 40 bis 50 Prozent abgenommen hat. Die Ursachen hierfür sind vielfältig und reichen von dem durch die Ozeanversauerung verringerten Vermögen der Korallen, überhaupt kalzifizieren zu können, über immer höhere Wassertemperaturen und dem „Bleichen“ der Korallen. Auch der Einfluss von ins Meer geleiteten überdüngten Flußwässern und das Überhandnehmen von riffzerstörenden Algenblüten trägt zur mangelnden Kalkbildung der Korallen bei.
Biomineralisation
Die Hauptbestandteile der Kalkschalen, insbesondere Kalzium und Karbonat, aber auch alle wichtigen Spurenelemente stammen aus dem Meerwasser und fällen den Kalk in der Zelle am Ort der Kalzifikation. Diese Erkenntnis bedeutete einen Paradigmenwechsel, denn lange Zeit hatte man angenommen, dass der Rohstoff für die marinen kalkbildenden Organismen wie Korallen, Muscheln und Kalkalgen, ähnlich wie bei den Menschen, auch aus der Nahrung stammt. Der evolutionäre Vorteil des Fällens von Kalk direkt aus dem Meerwasser ist, dass die kalzifizierenden Organismen direkt auf das im Wasser gelöste Kalzium und Karbonat ohne größeren Umweg durch den Stoffwechsel zurückgreifen können.
Das Fällen des Kalks aus Meerwasser ist ein Glücksfall für die Wissenschaft, insbesondere für die Paläo-Ozeanographie und die Rekonstruktion der Umwelt- und Klimabedingungen in der Vergangenheit, denn als Nebenaspekt bleiben die originären Spurenmetall- und Isotopenverhältnisse des Meerwassers in der Regel im Kalkskelett erhalten. Letztere können durch die Anwendung modernster Analyseapparate, Techniken und Methoden in den Schalen gemessen werden. Die Spurenmetall- und Isotopenverhältnisse können dann sehr genau die chemischen, physikalischen und biologischen Bedingungen im umgebenden Meerwasser reflektieren.
Diese Element- und Isotopenverhältnisse werden als „Proxy“ bezeichnet und sind chemische und isotopische Indikatoren für heute nicht mehr direkt messbare Umweltbedingungen. Durch die Anwendung dieser Proxies bekommt man dann nicht nur das Alter einer bestimmten Kalkschale heraus, sondern die Wissenschaft gewinnt auch Informationen über die Temperatur des Meerwassers, dessen Salzgehalt und Säuregrad sowie die ursprüngliche chemische Zusammensetzung der Atmosphäre in der Vergangenheit einschließlich des CO2-Gehaltes.
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