Die Rolle von Fluiden in der Subduktionszone der Kleinen Antillen
Petersen Exzellenz-Professur 24 | Essay von Dr. Frauke Klingelhöfer
Erdbeben sind eine der größten geologischen Gefahren und auch heute nicht zeitlich und örtlich vorhersagbar. 90 Prozent aller Erdbeben entstehen in Subduktionszonen, wenn sich eine Platte unter eine andere schiebt und in den oberen Mantel abtaucht. Wenn sie unter dem Meeresboden entstehen, können zusätzlich Tsunamis ausgelöst werden. Daher ist es wichtig, die Ursachen, die zur Entstehung von Erdbeben im marinen Bereich führen zu erforschen, wie zum Beispiel den Einfluß von Fluiden auf die seismische Aktivität. Die Kleinen Antillen sind ein natürliches Labor um diese Zusammenhänge zu studieren, da hier eine zu einem hohen Grad hydratisierte ozeanische Platte in die Subduktion gelangt. Ein Teil des in dieser Platte enthaltenen Wassers wird während der Subduktion wieder freigesetzt und migriert durch bereits bestehende Verwerfungen zurück zum Meeresboden. Diese Fluide haben einen starken Einfluß auf die Entstehung, Häufigkeit und Stärke von Erdbeben und können mit geowissenschaftlichen Methoden vermessen werden.
Erdbeben in Subduktionszonen entstehen in der Tiefe, in der die beiden Platten miteinander in Kontakt sind und wenn sich genug Spannung aufgebaut hat, um beide Platten innerhalb kurzer Zeit gegeneinander zu verschieben. Fluide spielen eine wichtige Rolle in solchen plattentektonischen Prozessen, wie zum Beispiel in der Subduktionszone der Kleinen Antillen. Dort werden die Nord- und Südamerikanischen Platten unter die Karibische Platte subduziert. Die Subduktion ist frontal im Süden bei Barbados und wird schräger zum Norden hin. Transform-Störungen entstehen im Norden (Haïti) und Süden (Venezuela). Dieser Prozeß erzeugt eine Seismizität mit Erdbeben bis zu einer Magnitude von 8,5, aber in einem großen zeitlichen Abstand (von ungefähr 1.000 Jahren. Historische Erdbeben fanden 1839 bei Martinique mit einer Magnitude von 7,5 und 1843 bei Guadeloupe mit einer Magnitude von ungefähr 8 statt. Beide Beben führten zu der Zerstörung von Städten und mehreren tausenden Opfern.
Auch heute sind die Kleinen Antillen seismisch aktiv, und die Region Frankreichs mit dem höchsten seismischen Risiko. Zum Beispiel gab es im September und Oktober 2021 eine Serie von leichten bis mittelstarken Erdbeben bei der Antilleninsel Guadeloupe, mit 8 Erdbeben der Magnitude 3,5 bis 5,1, die auch auf der Insel gespürt wurden. Wissenschaftler schätzen, daß ein schweres Erdbeben in der Region, das sich heute ereignen würde, angesichts der derzeitigen Bauweise der Gebäude den Tod von mehreren tausend Menschen verursachen könnte. Frankreich finanziert daher einen „Plan séisme“ um Schulen und andere Gebäude zu verstärken und Aktionen zur Sensibilisierung, Information und Vorbereitung der Bevölkerung durchzuführen.
Die Seismizität in den Antillen ist unregelmäßig verteilt, mit einer seismisch ruhigen Zone bei den Nördlichen Kleinen Antillen. Ob diese seismische Ruhe lokal ist und von der Struktur der Zone abhängt oder zeitlich begrenzt ist und somit in der Zukunft die Aktivität wieder aufleben könnte, ist nicht bekannt. In dieser seismisch ruhigen Zone entstehen auch Erdbeben, allerdings von einer kleineren Intensität, die somit nicht von globalen Netzwerken registriert werden können. Ein zweimonatiges seismologisches Experiment erlaubte es 80 Erdbeben mit Magnituden zwischen 1,2 und 3,9 zu identifizieren. Im Süden und Norden gibt es eine höhere Seismizität.
Ein Ziel unserer Antithesis Forschungsfahrten, die in 2014 und 2016 auf der „N/O L‘Atalante“ und der „N/O Pourquoi Pas ?“ stattfanden, war es, den Grund für die reduzierte Erdbebentätigkeit in dieser Zone zu bestimmen. Diese Verteilung könnte von der Lage der Kleinen Antillen zwischen einer frontalen Subduktion und einer Transform-Störung stammen, aber auch mit der Zusammensetzung der ozeanischen Kruste zusammenhängen. Ungewöhnlich für ozeanische Kruste in dieser Region ist die Anwesenheit von mehreren Transform-Verwerfungen an Segmentenden des Mittelatlantischen Rückens, wo meist eine dünnere und höher tektonisierte Platte gebildet wird. Diese ist zu einem höheren Anteil hydratisierbar, wenn Meereswasser durch vorhandene Verwerfungen eindringen kann. Während unserer Expedition haben wir tiefenseismische Profile in den Nördlichen Kleinen Antillen vermessen. Diese Daten zeigen die tiefe Struktur des vulkanischen Antillenbogens und des Akkretionskeils bis hin zur ozeanischen Kruste bis zu einer Tiefe von 30 km. Die seismischen Daten im Akkretionskeil zeigen tiefe Verwerfungen, die die Sedimentschichten gegeneinander versetzen und die in den bathymetrischen Daten als Lineamente am Meeresboden zu erkennen sind.
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